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Interview

Daði Freyr: Eurovisions ungekrönter Star lebt in Berlin

Daði Freyr, isländisches Pop-Phänomen und ungekrönter Star des Eurovision Song Contest 2020, ist bereit, nochmal bei Europas wichtigstem Pop-Wettbewerb anzutreten. Wir sprachen mit dem bescheidenen Musiker aus Berlin über sein Leben, den Erfolg über Nacht – und den berühmtesten grünen Pullovers Islands.

Interview mit Eurovisions ungekröntem Star, Daði Freyr. Foto: Team Daði Freyr
Inzwischen kennt so gut wie jeder in Island Daði Freyr. Foto: Team Daði Freyr

tipBerlin Spaß scheint die Kernbotschaft Ihrer Musik zu sein. Wie hört sich ein Daði-Freyr-Song an, der nicht für Eurovision geschrieben ist?

Daði Freyr Ich habe gerade ein neues Musikvideo gedreht, und ich weiß nicht, wie viel ich sagen darf, aber ich kann sagen, dass ihr ein Monster sehen werdet, das gegen einen riesigen Roboter tanzt. Meine Frau und ich haben alle Kostüme genäht und die Spezialeffekte selbst kreiert.

tipBerlin Ihre Musik ist sehr familienfreundlich. Würden Sie sagen, Familie spielt eine große Rolle in Ihrer Musik?

Daði Freyr Ich mache Familie nicht bewusst zum Thema, aber in dem neuen Eurovisions-Song singen alle meine engsten Familienmitglieder, meine Schwestern und meine Mutter und mein Vater im Hintergrund. Ich neige dazu, über das zu schreiben, was mir am nächsten ist, und das ist meine Familie; meine Frau und mein Kind. Alles, was ich veröffentliche, jede musikalische Entscheidung, die ich treffe, geht zuerst an meiner Frau vorbei. Wenn ich mir bei etwas nicht sicher bin, bitte ich die Person, der ich am meisten vertraue, es zu kritisieren. Meistens stimme ich ihr zu, aber manchmal macht es auch Spaß, sie sagen zu hören: „Das gefällt mir überhaupt nicht.“

tipBerlin Wie anders ist es für Sie, einen Eurovisionssong zu schreiben?

Daði Freyr Dieses Jahr habe ich mit dem Musikvideo angefangen, und dann habe ich den Song passend dazu geschrieben. Beim Eurovisionssong letztes Jahr kam die Bühnenperformance zuerst, und dann habe ich den Song aus dieser Idee heraus geschrieben. Es ist eine ganz andere Art von Performance, und es macht eine Menge Spaß, aber es ist auch eine Menge Arbeit. Das ist sicher das letzte Mal, dass ich bei diesem Wettbewerb mitmache.

tipBerlin Sie sind einer der Favoriten auf den Sieg. Warum würden Sie es nicht wieder tun?

Daði Freyr Ehrlich gesagt, als ich 2017 zum ersten Mal an der isländischen Vorausscheidung teilnahm, war das ein Witz. Ich dachte, ich könnte den grünen Pullover ausziehen und würde nicht wieder mit dieser Farbe oder dem verpixelten Gesicht in Verbindung gebracht werden. Vier Jahre später ist genau dieser Pullover immer noch ein großer Teil meines Lebens, und es ist im Grunde die einzige Sache, die ich in den letzten zwei Jahren gemacht habe.

Im Moment möchte ich ein komplettes Album machen. Der Eurovision Song Contest ist eine unglaubliche Gelegenheit, verrückte Sachen zu machen, die man nicht machen kann, außer man ist Lady Gaga oder Beyoncé. Für einen isländischen Musiker, dessen Musik noch nie außerhalb von Island gehört wurde, ist der Zugang zu all diesen Ressourcen, nur um eine dreiminütige Geschichte zu erzählen, unglaublich. Aber ich habe das Gefühl, dass ich das ganze Drehbuch haben will. Ich möchte eine zusammenhängende Sache machen, etwas, das von Anfang bis Ende Sinn ergibt.

tipBerlin Ihr Beitrag aus dem Jahr 2020, „Think About Things“, hat Sie über Nacht berühmt gemacht. Wie sind Sie damit umgegangen?

Daði Freyr Einhundertachtzig Millionen Menschen, die meinen Song sehen und hören – darauf war ich nicht wirklich vorbereitet. Plötzlich kannte so ziemlich jeder in Island mein Gesicht. Es gab also keine große Eingewöhnungsphase. Die Leute erkennen mich auf der Straße, und ehrlich gesagt ist Erkannt-Werden nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung.

Ich bin mir meiner Person sehr bewusst und wenn ich irgendwo hingehe, habe ich das Gefühl, dass ich auffalle. Und ich will eigentlich nicht auffallen. Aber die andere Seite ist, dass ich es liebe, gehört zu werden, wenn ich auftrete. Wenn ich wählen müsste zwischen niemandem, der meine Musik hört, und dem Alleinsein auf der Straße, dann würde ich lieber Leute haben, die meine Musik hören. Außerdem ist es ja nicht so, dass sich Leute in den Büschen verstecken und mich beobachten oder so etwas.

tipBerlin Hat die Erfahrung Sie als Künstler verändert?

Daði Freyr Nein, es ist nicht so, dass ich mir eine neue musikalische Identität geschaffen habe, um am Wettbewerb teilzunehmen. Ich habe diesen Eurovision-Charakter geschaffen, der nicht allzu weit davon entfernt ist, wie ich im wirklichen Leben bin. Ich ziehe den Pullover an, und der Rest passiert einfach so. Der eigentliche Unterschied ist, dass wir nicht wirklich eine Band sind. Wir sind eine Eurovision-Performance-Gruppe. Beim Eurovision Song Contest darf man die Instrumente nicht wirklich spielen. Alles wird vorher aufgenommen, und man muss alles mimen, und das gibt einem ein bisschen Abstand.

Wenn es schlecht gelaufen wäre, hätte ich einfach den Pullover ausziehen können, und das wäre es gewesen. Aber dann haben wir den ersten Platz belegt und sind von nichts zu etwas gekommen, einfach so. Wirklich, ich könnte nicht glücklicher darüber sein, wie es sich entwickelt hat, aber es fühlt sich immer noch komisch an, den Pullover anzuziehen. Ich schätze, er wird mich nie verlassen.

tipBerlin Wie überwinden Sie dieses Bild?

Daði Freyr Ich habe es mir ziemlich bequem damit gemacht, wie ich bin. Ich glaube, die Leute erwarten etwas Bestimmtes, aber ich möchte mich selbst herausfordern und andere Dinge tun. Ich denke gerne, dass die Leute, die mir folgen, die Musik zu schätzen wissen, wenn sie mir gefällt. Aber, ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Vielleicht werden all diese Leute hassen, was auch immer als nächstes kommt.

tipBerlin Wenn Sie auf die Bühne zurückkehren können, werden Sie Konzerte in einer ganz anderen Größenordnung spielen als bisher. Wie wird eine Daði-Freyr-Show nach der Eurovision aussehen?

Daði Freyr Es gibt keine konkreten Pläne, wie das alles aussehen wird. Das wird sich zeigen, wenn die Musik kommt. Ich mache mir keine Sorgen. Ich werde einfach meine Musik machen und hoffentlich ein paar Konzerte spielen. Wir mussten schon einmal alles absagen. Wir haben Konzerte in ganz Europa ausverkauft, in größeren Hallen, als ich je gespielt habe, und ich bin einfach gespannt, wann ich wirklich in solchen Hallen auftreten kann.

  • Der Artikel erschien zuerst bei unserem englischsprachigen Schwestermagazin Exberliner.

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