Es ist ein Stück vom Ende des Kapitalismus. Dem vitalen Geldkreislauf droht der Kollaps, weil einer nicht mehr mitspielt am Casinotisch des Ausgebens und Nehmens, und das ist Harpagon, genannt Harpi, bekannt als „Der Geizige“ aus der gleichnamigen Komödie von Moliиre. Der mag sein Geld einfach nicht unter die Leute bringen, schon gar nicht unter die aus der eigenen Familie. Und dabei muss der Rubel doch rollen, „das muss morphen. Von einem Zustand in den anderen. Von dem Zustand „Deine Kohle“ in den Zustand „Meine Kohle“. Findet zumindest Clйanthe, genannt Clйanti, der Sohn des Kohlebesitzers.
In der hemmungslos kalauernden Moliиre-Nachdichtung, die der Musiker und Autor PeterLicht fürs Gorki Theater geschrieben hat, ist dem Geizigen aus seiner anhäufungsseligen Verweigerungshaltung allerdings kein Strick zu drehen. Vielmehr erscheint der Mann als in sich ruhender Vertreter einer systemsubversiven Reinheitslehre, die den Zaster und den Zins um ihrer selbst willen liebt. Peter Kurth spielt den Patriarchen Harpagon in Jan Bosses Regie als sonnigen Souverän der Konsumkritik, der die kleinlichen Begehrlichkeiten seiner Kinder (Robert Kuchenbuch und Hilke Altefrohne) locker am Alt-68er-Wanst abprallen lässt. Diese regressive Jugend im Rokoko-Dress sieht an der Familientafel im rundum verspiegelten Nabelschaukasten (Bühne: Stйphane Laimй) ohnehin reichlich blass aus. Ihr Leben will sie machen, aber ohne Papa macht sie’s nicht. Die amourösen Verwicklungen der Vorlage hat PeterLicht dabei zum Running Gag zusammengestrichen. Bosse setzt entsprechend auf eine hübsch groteske Atmosphäre aus Perückenpuder, Ennui und Cemballoklang, in der die Philosophien über Ökonomie heute, den Unterdruck der Zahnpastatube und afrikanische Patenkinder prächtig wild wuchern. Nicht ohne Leerlauf, aber sehr vergnüglich.
Text: Patrick Wildermann
tip-Bewertung: Annehmbar
Termine: Der Geizige im Maxim Gorki Theater, z.B. am Mi 10.3., Do 18.3., 19.30 Uhr
Tickets www.tip-berlin.de/tickets