Man kann es sich einfach machen und Dйsirйe Nick als über die Maßen nervende Krawallschachtel abtun. Die nett lispelnde Blondine schreckt weder vor Dschungelcamp-Besuchen, Zickenkriegen (mit Eva Herman), Zungenküssen mit schwulen Bürgermeistern (Wowi) noch vor Sex mit einem Welfenprinzen (Heinrich von Hannover) zurück. Sie schreibt eine Kolumne in der „Bild am Sonntag“, ein Buch über Seitensprünge – und der „BZ“ hat sie einmal stolz erzählt, dass sie Oralverkehr in der S-Bahn hatte.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. In der Bar jeder Vernunft ist derzeit die andere Hälfte zu bestaunen – die „Bühnen-Nick“. Mit ihrem neuem Programm „Ein Mädchen aus dem Volke“ begeht sie dort ihr 25-jähriges Jubiläum. Und das ist weitaus erträglicher als ihre Fernsehauftritte. Auf der Bühne beweist Nick ihre Entertainer-Qualitäten. Sie singt (Chansons und Musical-Cover), tanzt (im Gold-Dirndl), und sie macht Krawall: „Lieber drei Jahre Knast als ’ne Pointe verpasst“, gibt sie zu Anfang das Motto vor und hält sich dran: Charmant, gut aussehend und pampig beleidigt sie erst ihr Publikum („Verdammt viele Leute mit schlechtem Geschmack hier“), um sich dann über Dieter Bohlens Hoden (schrumplig), Anouschka Renzis Analbereich (groß), Anna Netrebkos Mund („die kann einen Maiskolben bis zum Anschlag …“) und deren Namen lustig zu machen: „“igentlich heißt sie ja Swetlana Lutschkowskoja.“
Neben dem gekonnten Promi-Bashing zeigt sie nach angemessener Selbstbestrafung mit einem koketten Klaps auf den Po („das war jetzt aber unartig“), dass sie mehr kann. Singen: Anna Netrebko wird gleich noch mal musikalisch in einer „Königin der Nacht“-Parodie verballhornt, bevor die gebürtige Wilmersdorferin mit Berliner Gassenhauern („Ick hab so’n Appetit uff ne Bulette“) für Stimmung im Spiegelzelt sorgt. Im Lauf des Abends verrät sie dann noch das Geheimnis ihres Erfolgs („Akkuratesse, Handwerk und Glück“), klönt mit Pianistenpartner Volker Sondershausen über alte Zeiten („Guck mal, das Foto von 1998 – da hatte ich noch die alten Titten“) und droht mit Unsterblichkeit: „Die gemeine Kakerlake, Jopi Heesters und ich sind unverwüstlich.“ Ist wohl besser so. Denn: „Zum jung Sterben bin ich ja schon zu alt.“
Text: Björn Trautwein
Foto: Marcel Steger
tip-Bewertung: Sehenswert
Dйsirйe Nick – Ein Mädchen aus dem Volke
Bar jeder Vernunft,Do 19. bis So 22., Di 24. bis So 29.3., 20 Uhr
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