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„Verrückt nach Trost“: Ursina Lardi und Devid Striesow in den Sophiensaelen

Um die ganz großen Fragen des Daseins geht es in Thorsten Lensings starbesetzter ­Inszenierung „Verrückt nach Trost“. Am 30. September kommt das fulminante Schauspielertheater an die Sophiensaele.

Ursina Lardi und Devid Striesow als verwaistes Geschwisterpaar in „Verrückt nach Trost“. Foto: SF/Armin Smailovic

Dreieinhalb Stunden geht es mit Humor und Melancholie ans Eingemachte: Was ist der Mensch?

Die Arbeiten des Regie-Akribikers Thorsten Lensing würden jedes Stadttheater schmücken. Doch „weil sich meine Kompromissfähigkeit in Grenzen hält“, arbeitet der 53-Jährige ­Berliner lieber in der Freien Szene. Dort ist er auch stets in der glücklichen Lage, ohne Rücksicht auf ein bestehendes Ensemble Besetzungen zusammenzustellen, die kaum ein Stadttheater bieten kann.

So war etwa seine Tschechow-Inszenierung „Der Kirschgarten“ (noch im Duo mit dem Dramaturgen Jan Hein, 2011 an den Sophiensaelen) mit Ursina Lardi, Anna Grisebach, Peter Kurth, Devid Striesow, Lars Rudolph und Joachim Król geradezu starbesetzt, ebenso hochkarätig dann das Ensemble in der Adaption von David Foster Wallaces dystopischem Mammutroman „Unendlicher Spaß“, die 2019 zum ­Theatertreffen eingeladen ­wurde: ­Neben Ursina Lardi und Devid Striesow spielten Jasna ­Fritzi Bauer, Sebastian Blomberg, André Jung und Heiko Pinkowski mit riesengroßer Spielfreude den Episodenreigen um den absoluten Sieg der Unterhaltungsindustrie über das Leben.

Nun hat Lensing erstmals selbst ein Stück geschrieben und mit seinen Lieblingsmimen besetzt. „Verrückt nach Trost“ gibt Ursina Lardi, ­Devid Striesow, Sebastian Blomberg und André Jung in lose verknüpften Szenenfolgen herrliche „Steilvorlagen für ausgelassenes Spiel mit trickreichen melancholischen Sidekicks“ ­(„www.nachtkritik.de“). Mit Humor und Melancholie geht es über dreieinhalb Stunden ans Eingemachte, nämlich um Grundfragen des Seins und des Menschen. Was macht uns aus, was prägt uns, was unterscheidet uns von Tieren und Robotern? Die ganz großen Sinnfragen eben.

Tiefseegefühle: Ursina Lardi als „Oktopus“ umarmt in „Verrückt nach Trost“ einen verlassenen Taucher (Sebastian Blomberg)). Foto: SF / Armin Smailovic

Die Spielenden schlüpfen in mehrere Figuren, auch in Tierrollen, André Jung braucht dabei als Orang-Utan ebensowenig ein (Affen-)Kostüm wie Sebastian Blombergs wannenbehelmte Schildkröte oder Ursina Lardis gliederstreckender sprechender Oktopus. Überzeugend in allen Details auch Lardis und Devid Striesows Darstellung eines kindlichen Geschwisterpaars, dem wir über mehrere Jahrzehnte bis ins hohe Alter auf ihrer Lebenssinn­suche folgen.

Lensings Schauspielende sind sonst teilweise an Stadttheatern zuhause. So gehört die schweizer Schauspielerin Ursina Lardi etwa zum Ensemble der Schaubühne. Lardi, die ein ­großes Publikum ebenfalls aus Kino- und Fernsehfilmen kennt, ist seit Jahren auch Lensings Lebensgefährtin. Ihr gefällt, dass in seinen Inszenierungen alles aus dem Spiel entstehe.

„Es gibt nichts, was den Schauspielenden Arbeit abnimmt, keine Musik, Atmosphären, aufwändige Bühnenbilder, technische Effekte. Wir sind da sehr nackt, sehr der Sache ausgesetzt”, sagt sie. Dazu seien Lensings Inszenierungen auch nach der Premiere keine statischen Konstrukte, sondern dürfen sich in den Vorstellungen weiterentwickeln, lassen viel freies Spiel zu. Theater als dynamisches Gebilde. „Deshalb sollte man gern öfter gucken kommen“, meint Lardi.

Thorsten Lensings Inszenierungen sind legendär und oft umjubelt

Uraufgeführt wurde „Verrückt nach Trost“ Anfang August bei den Salzburger Festspielen. Im Frühherbst kommt das Stück an die ­Sophiensaele, seit 23 Jahren Lensings künstlerische Heimat in Berlin. Hier hatte er 2004 mit einer umjubelten „Onkel Wanja“-Inszenierung seinen vielbeachteten Durchbruch. Längst führen Lensings Inszenierungen stets auch Thea­tergänger in die Sophienstraße 18, die sonst Arbeiten der Freien Szene kaum wahrnehmen. Das ist ähnlich wie mit Florentina Holzinger, der neuesten hochgehandelten Künstlerin aus dem Sophiensaele-Umfeld, die inzwischen Hausregisseurin an der Volksbühne ist.

„Das sind gewachsene Arbeitsbeziehungen, die eine besondere künstlerische Qualität haben“, meint Franziska Werner, die Leiterin der Sophiensaele. „Thorsten Lensing hat sich bewusst für das Freie Theater entschieden – das sind inhaltliche, aber auch arbeitsstrukturelle Entscheidungen.“ Für die Sophien­saele als entdeckungsfreudiges Produk­tionshaus sind Lensings Theaterhits eine schöne Bestätigung und ein Trost für sonst häufige Nichtbeachtung ihrer Arbeit im Feuilleton – auch wenn sie freilich kaum „verrückt nach Trost“ zu sein brauchen.

  • Sophiensaele, Sophienstr. 18, Mitte, 30.9., 1., 2., 7.–9.10, 19 Uhr, 28, erm. 18 €, Tickets und weitere Infos online

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