Da sind sie wieder, diese wilden Mundharmonika-Melodien. Nollendorfplatz, U-Bahnhof-Ausgang. Dort wippt Horst breitbeinig mit seinem Oberkörper umher, im Rhythmus des Gedudels vom Miniradio, das er an sein linkes Ohr presst. Nicht nur in Berlin ist der Obdachlose mit mehr als 20?000 Facebook-Freunden inzwischen eine lokale Berühmtheit. Auch in Schweden, wo seine Musikkarriere einst begann, als ihm ein Mädchen in Stockholm seine erste Mundharmonika schenkte, kennt man ihn. Zum Munspelsmannen (zu Deutsch: Mundharmonika-Mann) gibt es einen schwedischen Wikipedia-Eintrag, die Band Mando Diao widmete ihm einen Song. „Good Morning, Herr Horst“ handelt von einen Mann, der den Schmerz über zwischenmenschliche Verluste mit Alkohol bekämpft, obdachlos wird, sein Leben nicht weiter als bis zum nächsten „Monday Glass“ plant. Doch Holtfreter hat Pläne, er erzählt sie jedem: dass er zurück nach Schweden wolle. 70 Euro kostet das Busticket. Dafür braucht es noch einige wilde Mundharmonika-Melodien am Nolli.
Text: Maria Tebarth
Foto: Thilo Rückeis