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Humboldt Forum: Endlich Eröffnung – vorerst nur digital

Lange ist um das Humboldt Forum gestritten worden, nun ist es endlich – nein, nicht fertig, das ist schließlich Berlin – aber immerhin reif für die Eröffnung. Es kann in diesen Corona-Zeiten nur eine digitale Eröffnung sein. Das große Publikum darf leider erst im kommenden Jahr ins Gebäude. Manch eine*r der Macher*innen wird diesen Aufschub als Erleichterung empfinden. Denn ganz ehrlich, es war noch lange nicht alles fertig, als tipBerlin schon mal vorab einen Rundgang machen durfte.

Vor der Eröffnung: Baustelle Humboldt Forum mit der Stella-Fassade zur Spree hin. Foto: SHU

Digitale Eröffnung des Humboldt Forums, noch sind da viele kleine Baustellen

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Der Bau ist nicht schöner geworden, seit das Berliner Publikum das letzte Mal zur Schlossbaustellenbegehung gebeten wurde. Barock ist ja an sich schwierig, ein überladender Stil, dessen unverhohlener Machtanspruch sich bis in jede Putte und Blumengirlande fortsetzt und dem deshalb der Charme fehlt.

Da hilft auch das schroffe Nebeneinander von Schlüters Barock und Stellas glatter Neubaufassade nicht, es will sich kein subtiler Dialog entfalten, beides passt einfach nicht zusammen. Und auch bei den Proportionen des Gebäudes bleibt man weiter ratlos. Die Höfe wirken gedrängt. Dafür sind die Rolltreppenhäuser riesig. Das Gebäude hat dadurch in etwa so viel Aufenthaltsqualität wie der Frankfurter Flughafen. Und ich würde wetten, man verläuft sich im Humboldt Forum auch ebenso gut.

Aber: Angesichts der Ressourcen, die mittlerweile in den Koloss geflossen sind, und ich meine die Energie, die Materialien, aber auch die Debatten, sollten wir alle hoffen, dass das Humboldt Forum mit seiner Eröffnung irgendwie zum Funktionieren gebracht werden kann. Im Sinne der Nachhaltigkeit. Niemand braucht ein Geisterschloss in der Stadtmitte.

Der archäologische Keller des Humboldt Forums: Hier sind die einzigen Original-Mauerreste. Foto: Stefanie Dörre

Rundgang durchs Humboldt Forum: Wir ergründen das Schloss vom Keller aus

Wo also mit dem Rundgang durchs Humboldt Forum beginnen? Ein guter Einstieg ist der archäologische Keller des Gebäudes. Dort nämlich sind die letzten Reste des Renaissance-Schlosses, das an der Stelle einst stand. Wenn man die Treppe nach unten geht, läuft man unter einer Installation aus Eichenpfählen durch, die aus dem Berliner Untergrund geborgen wurden.

Sie waren einst in den Sumpf gerammt worden, damit man ein so schweres Gebäude wie ein Schloss überhaupt auf den morastigen Untergrund stellen konnte. Unten im archäologischen Keller finden sich dann noch Reste von Backsteinmauern, der alten Heizung und auch die Löcher, in die die DDR-Regierung 1950 die Sprengladungen packte, um die Schlossruine zu Schutt und Staub verpuffen zu lassen.

Gelungen: Eine kurze Geschichte des Schlosses auf der Videopanoramawand. Foto: Stefanie Dörre

Einen anderen guten Anfang bietet der Raum mit dem großen Videopanorama zur Geschichte des Ortes, vom Sumpf zwischen zwei Spreearmen über das Dominicaner-Kloster in Cölln bis heute. Ästhetisches Vorbild der Panoramawand ist der Leuchttisch. In einer Abfolge von Bildern werden hier, ohne Worte, Dokumente auf die Leuchtwand geschoben und wieder weggenommen.

Hände mit weißen Handschuhen, wie sie die Museumskuratoren tragen, lassen Radierungen und Exponate, Fotografien und  Filme erscheinen und verschwinden. Das in Berlin ansässige Büro für museale und urbane Szenografie chezweitz – das auch für die Gestaltung in der neuen Dauerausstellung im Jüdischen Museum verantwortlich ist – hat die 26 Meter lange leuchtende Wand mit viel Gespür für das internationale, eilige Publikum, das erwartet wird, gestaltet. Sogar die Musik ist so in der Lautstärke geregelt, dass man sich gerade noch unterhalten kann. Und andere nicht stört.

Spruren heißen die historischen Details aus den Vorgängerbauten, hier ein Leuchtschild aus dem Palast der Republik. Foto: Stefanie Dörre

Aushalten, dass der Bau eine absolutistische Schlosshülle ist

Ein Einfall, der ebenfalls von chezweitz stammt und sich durch das gesamte Gebäude zieht, sind historische Details aus Vorgängerbauten des Humboldt Forums. Aus dem Palast der Republik finden sich da zum Beispiel ein Leuchtschild, das anzeigt, ob die Spree-Stuben, das Spree-Bowling oder der Jugendtreff überfüllt sind, und ein Überwachungsmonitor. Diese Spuren zur Geschichte des Ortes sind auf luftigen Eisengestellen präsentiert, nicht auf Sockeln, wie die vielen preußischen Könige in Marmor, die dort auch mit ihren prächtigen Perücken und galanten Posen herumstehen. 

Ja, man will weg von der Pracht und der Macht, vom Preußentum und den Ausbeutungsverhältnissen, auch den kolonialen, für die das Schloss steht. Darüber hatte es in den letzten Jahren einen kritischen öffentlichen Diskurs gegeben. Und die heftigen Debatten über koloniales Raubgut und Rückgabe, über Kolonialismus und Dekolonialisierung, haben gewirkt. Nicht auf die Hardware, das Haus war ja schon 2008 bei Stella bestellt worden. Und wurde auch so geliefert. Aber in der Software.

Fast deplatziert stehen die Marmorstatuen der vielen preußischen Friedriche herum, die eh keiner auseinanderhalten kann. An anderer Stelle sind sie auf ganz hohe Marmorsäulen verbannt worden. Man will sich distanzieren, muss aber aushalten, dass der Bau eine absolutistische Schlosshülle ist.

Die Debatte um koloniales Raubgut hat Wirkung gezeigt – zumindest etwas

Ein Höhepunkt des Streits über koloniales Raubgut war sicher der Rückzug von Bénédicte Savoy aus dem Expertenbeirat des Großprojekts. Deshalb ist es gut, dass David Blankenstein, der mit Savoy zusammen die richtungsweisende Humboldt-Ausstellung im Deutschen Historischen Museum kuratiert hatte, nun die Darstellung der Brüder Humboldt im Humboldt-Forum verantwortet.

Er versucht, Leben und Arbeit von Alexander und Wilhelm von Humboldt in all ihrer Widersprüchlichkeit und im Zeitkontext zu zeigen. Ja, sie wollten die Sklavenhaltung abschaffen, ließen sich aber von Sklavenhaltern zum Abendessen einladen.

Für dieses komplexe Thema sind Blankenstein momentan nur sechzehn Fenster in der Nord-Süd-Passage des Forums zugestanden worden, auf denen er Bilder angebracht hat. Eines zeigt beispielsweise den Aufstand haitianischer Sklaven gegen ihre Unterdrücker. Sie gewannen durch diesen Kampf ihre Freiheit, was in der der Weltgeschichte einmalig war.

Szene von erfolgreichem Sklavenaufstand auf Haiti. Foto: Stefanie Dörre

Hartmut Dorgerloh muss das baulich schwierige Forum in die Eröffnung führen

Hartmut Dorgerloh, dem als Generalintendant nun die Aufgabe zufällt, das konzeptionell und baulich schwierige Humboldt Forum in die Eröffnung zu führen, sagt auf unserem Rundgang gleich mehrfach, dass man mit der Architektur Geduld haben müsse, dass sie sich erst mit der Zeit erschließe, dass die Räume für die Ausstellungen gut geeignet wäre. Ein bisschen wirkt es, als müsse er sich selbst noch überzeugen.

Eine Architektur in der Architektur, von der man schon jetzt im unfertigen Zustand weiß, dass sie überzeugen wird, ist der von dem chinesischen Architekten und Pritzer-Preisträger Wang Shu gestaltete Raum für die Sammlung chinesischer Hofkunst (und das Teehaus von Ai Weiwei).

Hier wird sich, so sagt Christian Koch, der das sich im Einzug befindliche Ethnologische Museum sowie das Museum für Asiatische Kunst leitet, auch zeigen, wie chinesische und europäische Kunst miteinander verwoben sind. Beispielsweise wird hier die Rückwand des Thron der preußischen Königinnen zu sehen sein. Dessen Stoff-Bezug ist der Bezug zu China: reine Seide.

Das Holzdach des chinesischen Stararchitekten Wang Shu. Foto: Stefanie Dörre

Wang Shu hat ein pagodenartiges Holzdach unter die Betondecke gehängt, eine lichte und schöne Konstruktion. Das Holz kommt von Pappeln aus Thüringen. Und auch die Vitrinen sind schon da, Museumstechnik vom Feinsten, wie Hartmut Dorgerloh sagt, allerdings sind sie noch leer. In Dahlem sind die Restaurierungsarbeiten der Exponate im vollen Gange, Kisten werden dort gepackt und im Humboldt Forum wieder ausgepackt. Eröffnungstermin für seine Museen am neuen Ort, so Christian Koch, sei der Spätsommer.

Der Schlüterhof. Foto: Stefanie Dörre
Der Schlüterhof. Foto: Stefanie Dörre

Besuch mit Ikea-Effekt: Klare Führung durchs Humboldt Forum

Die Räume für Dauerausstellungen und Wechselausstellungen liegen in dem Haus ineinander verschachtelt, so dass sich daraus ein dynamisches Element ergeben wird, erklärt Hartmut Dorgerloh. Wer einmal drin ist im Humboldt Forum, wird in einer Einbahnstraße von Raum zu Raum geleitet, mindestens einmal ums Hofkarree herum, denn es gibt nur ein zentrales Treppenhaus.

Den „Ikea-Effekt“ nennt Dorgerloh das offenherzig. 40.0000 Quadratmeter hat das ganze Haus, das ist schon eine absolute Nummer. Der Eintritt wird frei sein. Wir Berliner werden uns so eine Gelegenheit nicht entgehen lasse, bei der man gleichzeitig staunen und motzen kann. Erstmal digital. Die digitale Eröffnung am 16.12. um 19 Uhr findet ihr hier.

Mehr Informationen zum Humbolt Forum

Mehr Informationen zum Humboldt Forum auf der Website. Auch wir haben wichtige Informationen zum Besuch des Stadtschlosses und des Humboldt Forums gesammelt. Wer diese Ecke Berlins – und andere – mal aus der Luft sehen will: tolle Aufnahmen von oben.

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