Hier kommt die knallharte Erfolgsstory meines alten, 36 Jahre jungen Kumpels Thomas Götz von Aust. Eingeleitet wurde sie vor Jahren mit einem Klingeln an dessen damaliger Haustür in einer Friedrichshainer Künstler-WG
Thomas öffnete gegen 11 Uhr im Bademantel die Tür, und der Hausmeister, ein Mitarbeiter der Gasag, sowie jemand vom Schlüsseldienst zeigten einen Gerichtsbeschluss vor, um dessen Gasanschluss wegen fehlender Zahlungseingänge nun final zu schließen. Der erstaunte, jedoch hungrige Berliner, Mitorganisator der berüchtigten „Chantals House of Shame“-Partys, fragte, ob er vielleicht noch eine letzte Pizza in den Gasherd schieben dürfe. Es folgten zehn bedrückende Minuten, in denen alle Beteiligten schweigend um einen Herd versammelt warteten. Danach war in der WG immerhin noch Strom vorhanden. Und je größer der allabendliche Hunger des Protagonisten war, um so entschlossener fiel die Experimentierfreude aus. In MacGyver-artiger Manier kochte Thomas ein Päckchen Nudeln in seinem „Petra“- Wasserkocher, was sich im Laufe der nächsten Monate zu exotischen Drei-Gänge-Menüs für ihn und wechselnde Gäste steigerte. Der Wasserkocher als kleinste Küche der Welt – Thomas hatte ihn erfunden! Welch tragische News für den Thermo-Mix.
Diese Idee, sein ganz persönliches Berlin-Drama in eine Erfolgsstory umzubauen, ist so wunderbar, weil selten – und nicht zuletzt auch politisch, denn die Botschaft zwischen den Zeilen lautet: „Schau her, ich muss weder reich sein noch nach den Gesetzen dieses Systems – klassischer Job – funktionieren, um in den Olymp der Sieger aufzusteigen.“ So etwas funktioniert bis heute nur in Berlin und mit Menschen, die an eine Idee glauben. Ich war es jedenfalls nicht, denn Thomas’ Wasserkocher-Rezepte schienen mir damals viel zu absurd, um sie ernst zu nehmen. Nur gut, dass es Österreicher gibt, die eine Schwäche für kochrevolutionäre Absurditäten besitzen. So fand Thomas einen Verlag in Wien, kooperierte mit Designerin, Fotografin und Köchin. Gemeinsam entwarfen sie ein Kunst- und Kochbuch, dessen Druck mit Kickstarter-Kampagne finanziert wurde. Unfassbar aber wahr: Im Sommer wird Thomas Götz von Aust mit seinem Wasserkocher nach China fliegen, nominiert für den „Gourmand World Cookbook Award“. Ob es an seiner aktueller Adresse einen Gasanschluss gibt, ist unklar, spielt für den Rising Star der preisbewussten Wasserkocher-Community mit YouTube-Tutorials und eigenem Buch aber auch keine Rolle mehr: „JOW – The Joy of Waterboiling“ erscheint im Februar.