Zubeißen gestattet. Der spezifische Unterschied zwischen der steinigen Gratis-Beschallung der Staatsoper auf dem Bebelplatz und anderen Open-Air-Bespaßungen besteht darin, dass hier Picknickkörbe erlaubt sind. Auch Klappstühle, Decken und Kaffeekannen werden beim alljährlichen Staatsopern-Kehraus in Mitte keineswegs konfisziert. Schön ist das, denn es führt traditionelle Rezeptionsformen der Klassik fort, die nur allzu gern in Vergessenheit geraten. Erst durch Richard Wagner wurden Theatertüren geschlossen, das Licht gedrosselt und für Ruhe und Enthaltsamkeit während der Darbietung gesorgt. Dies war sozusagen Wagners Beitrag zum Protestantismus im Theater. Er wurde anschließend verbindlich in aller Welt. Ursprünglich aber, soweit wir wissen, gingen Theateraufführungen unter ständigem Rein und Raus des Publikums vonstatten. Man ging und kam, aß während der Vorstellungen und unterhielt sich. Und wer weiß, was noch alles, besonders in den Logentheatern. Dass in der Barockoper die Dacapo-Arie tonangebend wurde, hat auch damit zu tun, dass die abgelenkten Zuschauer schöne Stellen zumindest beim zweiten Mal mitbekommen wollten.
Alljährlich kehrt bei der Staatsoper in Gestalt einer Klassik-Gourmandise zum Saisonausklang dergleichen zurück. Man muss es loben. Und sich klar darüber sein, dass auf einem historisch belasteten Platz wie dem Bebelplatz – wo 1933 die Bücherverbrennung stattfand – nur ein politisch gewichtiger Künstler wie Daniel Barenboim einen solchen Spagat hinbekommen konnte. Normalerweise werden bei „Staatsoper für alle“ Inszenierungen aus dem Haupthaus gratis nach draußen übertragen. Während der Umbauphase (Wiedereröffnung frühestens 2015) beschränkt man sich auf ein einziges Symphoniekonzert. Und zwar, passend zu den besagten Essgelüsten, zur Mittagszeit. Beethovens Siebte ist dabei gewiss ein Saison-Rausschmeißer der zupackend sättigenden Sorte. Durch seine deftigen Beethoven-Einspielungen mit der Staatskapelle kann Barenboim auf Servier-Erfahrung und eine Orchestertradition verweisen, bei der nichts anbrennen kann.
Wenn schon gratis, dann könnte man auch etwas ausgefallene Werke spielen, werden sie sagen. Stimmt auch. Doch mit der georgischen Geigen-Sirene Lisa Batiashvili hat man für Brahms’ Violinkonzert immerhin eine der fraglos besten Solistinnen weltweit engagiert. Die in München ausgebildete Violinistin verfügt über einen goldschmachtenden Ton von schöner Verführungskraft. Vor allem vermag ihre Erzählkunst auch bei längeren Werken ohne Weiteres zu fesseln und zu berauschen. Unter Kritikern ist sie der fast am höchsten gehandelte Geigen-Star der Gegenwart. Zuverlässiger als Vadim Repin. Risikobereiter als Anne-Sophie Mutter. Und oft interessanter als Joshua Bell und selbst Hilary Hahn. Ansonsten gilt das Staatskapellen-Motto: Barenboim wird’s schon richten.
Text: Kai Luehrs-Kaiser
Foto: Thomas Bartilla
„Staatsoper für alle“
Bebelplatz, So 16.6., ab 13 Uhr, Eintritt frei
FESTIVALS IM SOMMER
JUNI
Clang Cut bbook Festival
In Clang Cut Book erzählen Komponisten, Autoren und Künstler Geschichten ihrer Metropolen. Uraufführungen von Cecilia Arditto, Martin Bauer, Santiago Tomбs Dнez Fischer, Ladys Gonzбlez / Ana Maria Rodriguez, Florian Neuner / Harald Muenz, Andrew R. Noble, Pablo Ramos, Gabriel Santander, Ilja Winther / Lisa Streich. Berliner Erstaufführung von Walter Zimmermann
17.–22.6., Villa Elisabeth
Hoppegarten Klassik
Viertägiges Festival mit Konzerten des Rundfunk-Sinfonieorchesters, des Deutschen Filmorchesters Babelsberg und mit Auftritten von Pop- und Rockgrößen.
19.–23.6., Galopprennbahn Hoppegarten
JULI
Classic Open Air
Beliebte und bekannte Melodien leicht verdaulich dargeboten. Die Themenabende behandeln u.a. italienische Oper, Barock (Vivaldi/Händel/Bach) und Operetten (Offenbach/Strauss).
Programm:
4.7. First Night: Highlights aus Klassik, Film und Pop
5.7. Musica Italiana: Beliebte Opernmelodien und Canzoni
6.7. Barockzauber in Feuer, Licht & Laser: Bach, Händel, Vivaldi und weitere Meister der Barockmusik.
7.7. Strauss – Offenbach: Wiener Leben und Pariser Blut
8.7. Die Söhne Mannheims und das Deutsche Filmorchester Babelsberg spielen die größten Hits der Band im klassischen Gewand.
4.–8.7., Gendarmenmarkt
Young Euro Classics
Nachwuchsfestival mit Orchestern u.a. aus Thailand, Australien, Mexiko und Brasilien, die im Rahmen des 2000 gegründeten Festivals auftreten.
28.7.–11.8., Konzerthaus Berlin
AUGUST
12. Open Air Klassik
Klassik-Konzerte im Hof der Kulturbrauerei.
14.8. Verdi-Gala
15.8. Beethoven (jeweils Orchester der Berliner Symphoniker)
16.8. Sommernacht (mit Blechbläserphilharmonie)
17.8. Sinfonische Nacht (u.a. Mozart, Beethoven, Dvorak) – PRIMARTE Orchester der Preisträger
18.8. Movie Classics (Deutsches Filmorchester Babelsberg)
14.–18.8., Kulturbrauerei
Musikfest Berlin
Festspiele zur Eröffnung der Konzertsaison. Im Zentrum stehen Kompositionen von Bartуk, Janбcek, Lutos?awski und Britten. An 20 Tagen werden in der Philharmonie, in deren Kammermusiksaal und im Konzerthaus Berlin 24 Veranstaltungen mit 64 Werken von 25 Komponisten präsentiert, aufgeführt von 20 Orchestern, Chören, Instrumentalensembles und 25 Solisten aus dem internationalen Musikleben.
30.8.–18.9., diverse Orte
KLASSIK-KONZERT IM SOMMER
JUNI
Musikfestspiele Potsdam Sanssouci
Konzerte, Vorträge und Führungen in Schlössern, Gärten, in Häusern und auf Schiffen rund um den Park Sanssouci. Sogar bei einem Fahrradkonzert begibt man sich auf musikalische Entdeckungsreise nach Skandinavien.
7.6.–23.6., Sanssouci
Schlosshofkonzerte mit Alter Musik
Das Ensemble Spagnoletta bildet mit spanischer Tanz- und Instrumentalmusik des 17. Jahrhunderts am 15.6. den Auftakt der Konzertreihe, die anschließend Station macht am Hofe Friedrichs II. mit dem Dianthus Ensemble (28.7.) und dann nach Italien zum Renaissancemaler Sandro Botticelli einlädt, dem das Ensemble Celeste Sirene das Programm „Triumph der Schönheit“ widmet, das Musik, Wort, Kostüm und Bewegung vereint (11.8.). Das Abschlusskonzert bestreitet der Kammerchor Friedrichstadt (18.8.).
15.6.+28.7.+11.+18.8., Jagdschloss Grunewald, Schlosshof
Lindsey Stirling
Eine Kombination, die ungewöhnlich klingt und sehr erfolgreich ist: Klassische Violine trifft auf tiefe Dubstep-Töne.
19.6., Huxleys Neue Welt
Berliner Philharmoniker
Traditionelles Open-Air-Konzert zum Ausklang der Spielzeit. Unter Leitung von Sir Simon Rattle erklingen Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert e-Moll op. 64 sowie Beethovens 9. Sinfonie.
22.6., Waldbühne
Bach-Chor
Auf dem Programm steht ein sakrales Werk: Die Messe in h-Moll BWV 232. Als Solisten fungieren Anja Zügner (Sopran), Susanne Zügner (Alt), Georg Poplutz (Tenor), Jörg Gottschick (Bass). Es spielt das Bach Collegium unter Leitung von Achim Zimmermann.
22.6., Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
Nachtmusik Violine + Yoga
Es spielt Jorge Jimйnez (Violine), während Lisa Stepf Yoga instruiert.
29.6., Radialsystem V
Kuttenträger in Klostermauern
Das Ensemble Schola Gregoriana Pragensis unter künstlerischer Leitung von David Eben bietet einen Querschnitt aus dem ältesten Repertoire der Mariengesänge sowie aus böhmischen Quellen des 14. und 15. Jahrhunderts
29.6., Kloster Lehnen
Rundfunkchor Berlin
Im Rahmen des Kammermusik-Podiums und dem Motto „Heimat und Fremde“ erklingen japanische Volkslieder sowie Klavierstücke von Beethoven, Schubert, Liszt u.a.
30.6., Schloss Friedrichsfelde
JULI
Mariinsky Orchester St. Petersburg
Zum Abschluss des deutsch-russischen Kulturjahres 2012/2013 erklingen Richard Wagners Vorspiel zum 1. Akt von 2Lohengrin2 sowie Wotans Abschied aus „Die Walküre“, Schostakowitschs 2. Klavierkonzert und schließlich Tschaikowkys Sinfonie Nr. 6 „Pathйtique“. Als Solisten fungieren Bass-Bariton Renй Pape und Pianist Denis Matsuev.
1.7., Philharmonie
Das Leben ist ein Traum
Es erklingen Lieder von Joseph Haydn, die Olav Kröger am Cembalo intoniert.
5.–.7., Schloss Rheinsberg
Kammerakademie Potsdam
Unter dem Motto „Donauklassik im Oderbruch“ erklingen Haydn, Mozart und Schubert im kirchlichen Ambiente.
6.7., Neuküstrinchen, Dom des Oderbruchs
Naoko Fukumoto
Die japanische Pianistin eröffnet mit ihren Interpretation von Klavierstücken von Chopin und Schubert die Berliner Klassiktage 2013, die bis zum 28. Juli dauern.
17.7., Französischer Dom am Gendarmenmarkt
Mozartquartett Berlin
Das Ensemble führt drei der sechs Streichquintette des Salzburger Komponisten auf.
18.7., Französischer Dom am Gendarmenmarkt
Mozartensemble Berlin
Es erklingen drei Mozart-Sinfonien in Arrangements von Jean Baptiste Cimador.
19.7., Bode-Museum
Vivaldissimo
… lautet das Programm von Marianne Boettcher (Violine), Ehrengard von Gemmingen (Violoncello) und Jai Lim (Cembalo). Gemeinsam intonieren sie Kammermusik des italienischen Barockkomponisten Antonio Vivaldi.
21.7., Schloss Köpenick
Haydnquartett Berlin
Das Ensemble lädt zur „Italienischen Nacht“, bei der Streichquartette aus der Zeit der Romantik im Zentrum des Programms stehen. Es erklingen u.a. Rossini, Donizetti und Paganini.
23.7., Zitadelle Spandau
Blasmusik – Festival für Holz, Blech und Gemüse
An vier Tagen spielen u.a. Michel Godard, Michael Becker & Capella de la Torre, The Vegetable Orchestra, Katharina Bäuml und Balthasar Streiff.
25.–28.7., Radialsystem V
AUGUST
Vocalconsort Berlin
Das Ensemble lädt zum Nachdenken „Über die Vergänglichkeit“.
17.8, Parochialkirche
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Im Rahmen von „Klassik im Grünen“ erklingen Werke von u.a. Lalliet, Reinecke und Mozart.
23.8., Botanischer Garten
West-Eastern Divan Orchestra
Bereits in den letzten zwei Jahren begeisterte das Ensemble, bestehend aus jungen israelischen, palästinensischen und arabischen Musikern, in der Waldbühne mit zwei Beethoven-Sinfonien unter musikalischer Leitung Daniel Barenboims. 2013 wird der Zyklus fortgesetzt.
25.8., Waldbühne
Emerson String Quartet
Eröffnung des Musikfestes Berlin. Es stehen die Streichquartette Nr. 2 op. 17 von Bartуk, von Felix Mendelssohn Bartholdy Nr. 6 f-Moll op. 80 sowie Bйla Bartуks Streichquartett Nr. 6 auf dem Programm.
30.8., Kammermusiksaal
Nikolai Tokarev
Der Pianist spielt Werke von Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven und Robert Schumann.
31.8., Potsdam, Belvedere auf dem Pfingstberg