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Sparen bei der Kultur: Verliert Berlin jetzt seinen Ruf?

Um zehn Prozent soll der Kulturetat in 2025 schrumpfen, Berlin muss sparen. Verliert die Stadt ihren Ruf als Kulturmetropole von Weltrang? Lasst uns jetzt am besten deutlich machen, wie wichtig uns Kultur ist. Wir hätten dazu auch eine Idee.

Hier hinkt der Bär: Foto: Adobe Stock / JULA, fotohansel

Über Geld spricht man nicht. Vor allem in der Kultur. Bei Kulturbauten sieht es anders aus, da geht es immer um die Kosten und vor allem Kostenexplosionen. Pergamonmuseum, Komische Oper, Neues Museum. Aber der Wert einer Theaterinszenierung oder Ausstellung wird normalerweise nicht in Zahlen bemessen, denn sie transzendiert die schnöde Welt des Geldes hin zur schönen Welt des Geistes. Da stört die banausige Rede über Schotter nur.

Der Berliner Kulturetat soll um zehn Prozent gekürzt werden

Über Geld spricht man in der Kultur also nicht – außer es fehlt. Zehn Prozent soll Berlin im kommenden Jahr im Landeshaushalt einsparen, über alle Bereiche hinweg. Um zehn Prozent soll daher auch der Kulturetat gekürzt werden.

Das geht auf keinen Fall, wir können rein gar nichts einsparen, sagen die Kulturschaffenden. Das war erwartbar. Das muss gehen, sagt Kultursenator Joe Chialo. Auch das keine Überraschung. Joe Chialo hatte dem tipBerlin im August ein Interview gegeben, in dem er klarmachte, dass er, wie alle anderen Senatsmitglieder auch, sich an diese Sparvorgaben halten wird.

Er hat damals aber auch gesagt, er wisse, dass Kürzung von zehn Prozent insbesondere für die freie Szene „brutal“ seien und er versuchen werde, Härten abzufedern. Und er wolle bei den Einsparungen in enge Absprache mit den Kulturschaffenden gehen – was er jetzt unbedingt einlösen sollte. Wir erinnern uns an seinem Alleingang bei der gescheiterten Einführung einer Antidiskriminierungsklausel und den folgenden Shitstorm.

An Kulturinstitutionen zu sparen ist schwierig, die Planungen haben jahrelange Vorläufe

Mit wem ist der Kultursenator also solidarisch? Mit seinen Senatskollegen und -kolleginnen als Stellvertretende für alle Berliner Bedarfe ebenso wie mit den Kulturschaffenden. Das klingt nach einer Zerreißprobe, nach nicht machbar. Einerseits. Andererseits muss eine Budgetreduzierung machbar sein, denn man kann in Zeiten, in denen Schulen die Klassenfahrten wegen fehlender Reisekostenzuschüsse streichen, als Theaterintendant oder Museumsdirektor nicht einfach sagen, also bei uns am Haus sind nun wirklich gar keine Einsparungen möglich. Auch das wäre unsolidarisch. Aus den Töpfen für Schule, Bürgergeld und Wohngeld können die zehn Prozent Kulturetat jedenfalls nicht kommen.

Doch auch an Kulturinstitutionen kann nicht so einfach gespart werden, gerade bei Theatern und Museen machen die Fixkosten, also Löhne und Gehälter sowie Miete und Betriebskosten, den allergrößten Teil des Budgets aus. Zudem gibt es langfristige Verträge mit Künstlern und Künstlerinnen, denn die Programme für 2025 stehen bei den großen Häusern schon längst, sie brauchen für die Planung oft jahrelange Vorläufe.

Was auf jeden Fall helfen würde: mehr Realitätssinn. Das gilt für die Budgetplanungen des Senats, wo man im Dezember 2024 tatsächlich noch naiv annahm, in 2025 würde der Kulturetat wohl höher ausfallen. Nebulös ist die aktuelle Sparplanung. Noch steht gar nicht fest, wie viel Kohle in der Kultur genau gestrichen werden soll. 2024 lag der Kulturetat bei 1.006 Millionen Euro, was ein Minus in Höhe von rund 100 Millionen Euro für 2025 nahelegt. In der Kulturverwaltung wird eine Summe zwischen 100 und 150 Millionen genannt. 50 Mille weniger – vielleicht.

Kultur ist keine Leistungsschau

Wir müssen vermutlich lernen, auch in der Kultur über Geld zu reden. Darüber beispielsweise, warum die Zuschüsse pro Ticket bei vergleichbaren Theatern so unterschiedlich hoch sind. Darüber, wie gut Rahmenprogramme angenommen werden. Über Blockbuster und Rohrkrepierer. Und nein, Kultur ist keine Leistungsschau und kann sich nicht allein in Geld und Publikumszahlen messen lassen. Sie kann sich aber auch nicht von den Interessen des Publikums abkoppeln.

Also sprechen wir mal über uns, das Publikum. Vorschlag: Lasst uns solidarisch sein und deutlich machen, wie wichtig uns die Kultur ist, indem wir jetzt mehr Lesungen, Theatervorstellungen, Ausstellungen und Konzerte besuchen. Das bringt nebenbei auch mehr Geld in die Kassen, und was die Auslastungen angeht, war ich in der letzten Zeit in ausverkauften Theatersälen, aber in einigen Lesungen und Ausstellungen, da hätten fünfmal so viele Menschen Platz gehabt. Also: nicht lamentieren, Tickets kaufen!

Und reden wir doch öfter mal darüber, was die Kultur eigentlich für Berlin leistet. Die Senatsverwaltung Kultur ist auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zuständig. Und da ist Kultur tatsächlich eines der besten Bindemittel. Sie hat sogar die Fähigkeit, Millionäre mit Transferleistungsempfängern in einem Raum zusammenzubringen.

Die deutsche Kulturförderung gehört zu den besten der Welt, weil sie staatlich und breit angelegt ist – und nicht auf den Goodwill von Superreichen angewiesen. Alle sollen sich ein Ticket zur Kultur leisten können. Um dazugehören zu können. Und wir sprechen der Kultur die Fähigkeit und Aufgabe zu, die Gesellschaft zu hinterfragen und sie dadurch weiter zu entwickeln.

Die Stadt ist voll mit Stars der Bildenden Kunst, die hier ihr Atelier haben. Wir haben mit der Berlinale ein Filmfestival der A-Klasse, von denen es weltweit nur drei gibt. Die Berliner Philharmoniker reisen durch die Welt und zeigen in Tokio und New York, zu welchen Spitzenleistungen Berlin fähig ist – wäre doch schade, wenn wir vor allem als Failed City mit fehlenden Bürgeramtsterminen, unberechenbarem Nahverkehr und Digitalisierungsdefiziten wahrgenommen würden

Stefanie Dörre, tipBerlin-Chefredakteurin

Die Berliner Kulturlandschaft ist nicht einmalig, aber eine der besten, die es gibt

Und sie wirbt für unsere Stadt. Der Ruf Berlins als spannendste Metropole der Welt ist 35 Jahre nach Mauerfall etwas in die Jahre gekommen. Doch welcher Regisseur probt mit Cate Blanchett „Die Möwe“ im Londoner Barbican Theatre? Thomas Ostermeier. Die Stadt ist voll mit Stars der Bildenden Kunst, die hier ihr Atelier haben. Wir haben mit der Berlinale ein Filmfestival der A-Klasse, von denen es weltweit nur drei gibt. Die Berliner Philharmoniker reisen durch die Welt und zeigen in Tokio und New York, zu welchen Spitzenleistungen Berlin fähig ist – wäre doch schade, wenn wir vor allem als Failed City mit fehlenden Bürgeramtsterminen, unberechenbarem Nahverkehr und Digitalisierungsdefiziten wahrgenommen würden.

Die Berliner Kulturlandschaft ist nicht einmalig, aber eine der besten, die es gibt. Ein Spitzenprodukt, um das mal CDU-nah zu formulieren, dessen Basis auch zerstört werden kann. Was das bedeutet, wenn Infrastrukturen kaputt gespart werden, sehen wir gerade bei der Deutschen Bahn, am Zustand unserer Brücken, Straßen, unseres schulischen Bildungssystems. Bei der Kultur darf das nicht passieren. Noch steht die Entscheidung aus, ob für die Etatkürzungen einzelne Häuser geschlossen werden oder alle sparen müssen. Meine Meinung: Alle müssen ran. In enger Zusammenarbeit mit dem Kultursenator, Konfrontation wird da nichts bringen. Die Lösung für 2025 wird in 100.000 Details liegen müssen. Das ist mühselig und unsexy, erhält aber die kulturelle Infrastruktur der Stadt. Das nächste Jahr muss in der Kultur eine Übung in Solidarität werden.


#BerlinIstKultur

Die Berliner Kulturszene protestiert gegen die geplanten Kürzungen. Am 16. Oktober fand ein Aktionstag statt, am 13. November folgte eine Demo am Brandenburger Tor. Welche Kürzungen der Berliner Senat beschlossen hat, erfahrt ihr hier. Die Kulturszene ist besonders betroffen. Am 19. November findet ein Protestkonzert im Haus der Berliner Festspiele statt. Mehr Infos darüber findet ihr hier.


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