„Ich bin eben wieder geflüchtet!“ Reinhard aus Pankow schmunzelt, als er in dem kleinen Straßencafй direkt am Grenzübergang Ledrastraße in Lefkosa seinen türkischen Mokka schlürft.
Er reist schon seit einer Woche durch die Türkische Republik Nordzypern. Mit seiner „Flucht“ spielt er nicht auf vergangene politische Abenteuer zu Vorwendezeiten in Berlin an, sondern auf seinen enttäuschenden Kurztrip auf die andere, die griechische Seite von Zyperns Hauptstadt, die dort Lefkosнa heißt. Erst seit dem 3. April 2008 kann man auf der Ledrastraße mit einem Visum wieder problemlos hin- wie herüber.
Nikosia, eine der seltenen Inselhauptstädte, die im Landesinneren liegen und nicht an der Küste, ist inzwischen die einzige durch eine Mauer geteilte Hauptstadt der Welt. Das düstere Kapitel, das in Deutschland vor 20 Jahren endete, wird in Zypern seit über 35 Jahren fortgeschrieben.
Nach dem Rückzug der Engländer 1960 konnte auch eine UN-Friedenstruppe die Zuspitzung des Zypern-Konflikts nicht verhindern. 1974 putschte die griechische Junta Präsident Makarios von der Macht, um den Anschluss an Griechenland zu vollziehen. Ihr rücksichtsloses Vorgehen gegen die türkische Minderheit führte allerdings zur Besetzung des Nordens durch türkisches Militär und zu blutigen Kämpfen. Der Waffenstillstand vom 16. August 1974 brachte dann die Einrichtung der sogenannten „Green Line“ als Pufferzone zwischen der Republik Zypern und Nordzypern. Bis 2003 war die Grenze absolut undurchlässig. Weil die griechische Republik Zypern die Türkische Republik Nordzypern als illegal betrachtet, stellte sie bis zu ihrem EU-Beitritt 2004 Grenzübertritte von Nord nach Süd sogar für EU-Bürger unter Strafe. Kein Wunder, dass sich mancher Nordzypern-Besucher wie der Berliner Reinhard unwohl fühlt, wenn er die „Green Line“ passiert.
Isolation bedingt wirtschaftliche Rückständigkeit, konserviert andererseits aber auch die Ursprünglichkeit von Menschen und Natur – nur nicht die der Fassaden. An den Gemäuern sind die Folgen der kriegerischen Auseinandersetzungen nach wie vor abzulesen. Und die tiefe Kluft zwischen den beiden Volksgruppen ist deutlich zu spüren.
Geradezu sympathisch wirkt dagegen der Charme der bröckelnden Altstadt von Lefkosa mit den farbenfrohen Basaren und Märkten, den Kaffeehäusern, den kleinen Kramläden. Das gemächliche Treiben der Einheimischen steckt an. Das Tempo wird von der Sonne und dem Muezzin bestimmt. Die Sehenswürdigkeiten eröffnen sich en passant, wie die Selimiye-Moschee, ursprünglich im 13. Jahrhundert als Kathedrale erbaut, oder die alte Karawanserei Büyük Han, heute ein Kunst- und Kulturzentrum.
Mit der Ursprünglichkeit der Natur, den historischen Orten und der Gastfreundschaft seiner Bevölkerung versucht jetzt das Ministerium für Tourismus und Umwelt den Fremdenverkehr anzukurbeln. Es geht um Ansehen, Anerkennung und Einnahmen, auch für die Instandhaltung und -setzung dieser Schätze. Tourismus und heile Natur – gibt es Gegensätzlicheres? Vielleicht ist dann diese Ämterkombination die einzige zukunftsträchtige Lösung.
Text und Foto: Peter Diedrich
Gut zu wissen:
Anreise
Turkish Airlines fliegt Tegel–Ercan via Istanbul, ab ca. 400 ¤. Tipp:
Kurztrip nach Istanbul ab fünf Stunden Aufenthalt mit Taxi, Tram und U-Bahn. Ein Mietwagen ist sinnvoll (u.a. Erkundung der Karpaz-Halbinsel). Linksverkehr!
Wohnen
Lefkosa bietet kaum Unterkünfte. Die Hotels konzentrieren sich in und um die 25 Kilometer entfernte Hafenstadt Girne. Altstadt: Acapulco Beach Resort, ab 65 ¤,
www.acapulco-cyprus.com;
Hotel Nostalgia, ab 35 ¤, www.nostalgia-boutiquehotel.com.
Über Girne am Besparmak-Gebirge: Bellapais Gardens (wunderschön), www.bellapaisgardens.com. Auf der Halbinsel Karpaz: Karpaz Arch Houses, www.karpazarchhouses.com; Burhan’s Place,
Golden Beach, Karpaz-Spitze,
www.burhansgoldenbeach.com
Essen
Boghjalian Konak, Arabahmet Viertel, Lefkosa, www.boghjalian.com