Seong-Jin Cho, der erste koreanische Pianist von Weltrang, über Vorurteile, Debussy – und sein Leben in Berlin
Herr Cho, Ihr großer Durchbruch verdankt sich auch der Tatsache, dass Sie mehrfach für den erkrankten Lang Lang einspringen konnten. Ihr Vorbild?
Ich habe Lang Lang überhaupt erst im Oktober letzten Jahres kennengelernt. Natürlich kannte ich Konzerte von ihm aus Korea, wo er sehr populär ist. Musikalisch ist er nicht mein Favorit. Das ist der rumänische Pianist Radu Lupu.
Für ein europäisches Publikum sind asiatische Pianisten immer noch die Ausnahme. Gibt es Vorurteile?
Leider sind die Vorurteile gegen uns immer dieselben: gute Technik, aber Mangel an Emotion und Fantasie. Ich möchte nicht gern beweisen müssen, wie falsch das ist.
Sie stammen aus Korea. Was bedeutet das musikalisch?
Schwer zu sagen. Was Asiaten anbetrifft, so sind wir Koreaner vermutlich kontaktfreudiger als die Japaner, aber schüchterner als Chinesen. So dazwischen. Ich war als Kind sehr zurückhaltend und schweigsam. Erst am Klavier habe ich das verloren. Bis heute bin ich hinter der Bühne viel unsicherer als auf ihr.
Die musikalischen Traditionen Asiens sind ganz anders als die europäischen. Gibt es etwas, das Ihnen schwergefallen ist, als Sie sich der westlichen Musik zuwandten?
Nein, denn europäische Klassik ist in Korea mittlerweile populärer als die einheimische Musik. Meine Eltern sind keine Musiker, führten mich aber in klassische Konzerte. Meine erste CD enthielt die Chopin-Balladen mit Krystian Zimerman.
Ist der Klavier-Boom in Korea ebenso groß wie in China?
Er ist nicht so sehr auf das Klavier beschränkt wie in China. Koreanische Streicher oder Blechbläser finden Sie heute in jedem guten Orchester der Welt. Koreanische Pianisten dagegen haben es schwer. Ich bin mir hochbewusst, einer der „Happy Few“ zu sein.
In Berlin spielen Sie Préludes und einige „Images“ von Claude Debussy – ein Komponist, der die asiatische Kultur mehr mochte als den französischen Impressionismus …
Was die Sache für mich möglicherweise leichter macht. Schuberts „Wandererphantasie“ und Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“, die ich in Berlin auch spiele, kannte ich von zuhause. Eine gute Speisefolge, die ich sogar in der Carnegie Hall ausprobiert habe.
Sie scheinen erstaunlich lange Finger zu haben. Oder täuscht das?
Nein, stimmt nicht! Das muss an Photoshop liegen. Ich habe normale Finger, und die genügen mir. Aufs Musikalische kommt’s an, nicht aufs Technische. Da kann man nichts nachbessern.
Sie leben in Berlin-Mitte?
Fast auf der Grenze zu Kreuzberg. Ich kann, wegen der Nachbarn, nur bis 19 oder 20 Uhr üben. Danach treffe ich Freunde – oder gehe essen. Es gibt gute koreanische Restaurants hier, auch wenn ich mein Lieblingsrestaurant noch nicht gefunden habe. Was ich an Berlin schätze, ist die Qualität italienischer Restaurants. Sie sind mir lieber.
Kammermusiksaal Herbert-von-Karajan-Str. 1, Tiergarten, Di 7.5., 20 Uhr, Karten 8–26 €
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Betreff: Seong-Jin Cho