Das Schöne und das Schreckliche wohnen nahe beieinander in den Zeichnungen von Nadja Schöllhammer. Sie schleudert Linien in den Raum, verdreht und verwirbelt sie, bis das, was übrig bleibt, den Spuren von Feuer speienden Drachen und Wirbelstürmen ähnelt. Zwar ist wieder nur Papier und Farbe der Ausgangspunkt ihrer großen Installation „Horizont“, die sie in der Kunsthalle Vierseithof in Luckenwalde (30 Bahnminuten vom Potsdamer Platz entfernt) zeigt, aber weil sie dem Papier auch mit Schere und Feuer zu Leibe rückt und Techniken der Zerstörung ebenso wie des Aufbaus einsetzt, entsteht ein ästhetisches Spannungsfeld zwischen Ruinösem und Fragilem. Was Zeichnung war, hängt im Raum wie Skelette und Geflechte, zerrissene Kokons, verbrannte Zelte, zerfledderte Trichter. Was sich dazwischen über den Fußboden ergießt, ist zwar ebenso eindeutig aus Papier geschnitten, wie die Wirbel und Strudel der Beschleunigung auf den Wänden gezeichnet sind. Und doch glaubt man zu fühlen, wie alle diese losgelassenen Linien jeden Moment wieder zu zucken beginnen könnten, sich um unsere Knöchel schlingen, an den Beinen hochranken und uns allmählich wie Tentakeln in diese verzauberte Welt hinüberziehen könnten. Denn plötzlich sieht man, dass aus dem Gewirre an vielen Stellen Augen und kleine Gestalten hervorschauen, die uns beobachten. Nadja Schöllhammers Installationen stecken voller Geschichten, die sich versteckt haben; ähnlich wie ein Comic, von dem nur die gezeichneten Geräusche übrig geblieben sind. Alles deutet auf Action, Spannung, Bewegung, Dramaturgie, allein das Wer, Wann, Wo ist verloren gegangen. Und das gleicht der Erfahrung, mitgerissen zu werden in einer Abwärtsbewegung, ohne selbst noch viel dagegenhalten zu können.
Text: Katrin Bettina Müller
Foto: Udo Hesse
tip-Bewertung: Sehenswert
Nadja Schöllhammer „Horizont“,
Kunsthalle Vierseithof in Luckenwalde, Do-Mo 14-19 Uhr, bis 28.3.
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