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Politischer Aschermittwoch in Berlin: Arnulf Ratings fragwürdige Runde

Endlich wieder Politischer Aschermittwoch in Berlin, endlich wieder Zeit für politischen Schlagabtausch. Normalerweise verteilen Politiker:innen an diesem Tag argumentative Watschen, gelegentlich geschickt, häufig stolpernd. Abseits lokaler und regionaler Versammlungen der großen Parteien organisieren auch Kultureinrichtungen Diskussionsrunden, etwa der Kabarettist Arnulf Rating. Sein Politischer Aschermittwoch in Berlin hat mittlerweile Tradition. Dafür lud er Gäste ein: Lisa Fitz, die eine Falschaussage bezüglich 5000 Covid-Impftoter verbreitete, Harald Martenstein, der das Tragen von Judensternen auf Corona-Demos für nicht antisemitisch hält, und, für die Berichterstattung, unseren Autor Peter Laudenbach, der die Konstellation nicht toll findet. Es entstand ein Mail-Streitgespräch zwischen ihm und Rating, das wir euch nicht vorenthalten wollen.

Arnolf Rating streitet mit unseren Autoren über seinen Politischen Aschermittwoch in Berlin. Reicht er hier die Hand oder droht er? Foto: Imago/Tagesspiegel/Kai-Uwe Heinrich

Ein Mailwechsel zwischen Peter Laudenbach und Arnulf Rating zum politischen Aschermittwoch in Berlin

Zu den schönen Momenten im Leben eines tip-Redakteurs gehört, dass man ab und zu Mails von Menschen bekommt, die man mag (naja, öfter von solchen, die man nicht mag, noch öfter von solchen, die einem komplett egal oder völlig unbekannt sind). Meistens wollen sie etwas – wie wäre es mit einem Interview zur neuen Show, kommen Sie doch zu unserer Premiere und schreiben Sie was Schönes… Das hat den hilfreichen Effekt, dass man sich im Lauf der Jahre ein erstaunlich großes Arsenal von halbfaulen Ausreden zulegt. Ab und an entstehen daraus aber auch ernstgemeinte Mailwechsel oder, wie in diesem Fall, ein echter Streit mit dem eigentlich geschätzten Kabarett-Veteranen Arnulf Rating. Weil es dabei um grundsätzlichere Fragen geht, veröffentlichen wir hier einen Auszug aus unserem Mailwechsel zu seiner Veranstaltung zum Politischen Aschermittwoch.

Es fing harmlos an

Lieber Peter,

wollen wir nicht mal wieder was zum Politischen Aschermittwoch machen?
Wäre doch prima!

Beste Grüße!
Arnulf

Arnulf Rating ist ein alter Freund des tip. Zum ersten Mal habe ich ihn auf der Bühne gesehen, als er noch bei den 3 Tornados war und ich gerade mein Abitur gemacht habe. Logisch machen wir ein kleines Interview zu seinem „Politischen Aschermittwoch“. Wann ist das denn? Und wer tritt da auf? Dann wurde es leider unerfreulich: Unter Ratings Gästen ist auch die bayerische Ulknudel Lisa Fitz, die jüngst in einer Fernsehsendung gemeingefährlichen Unsinn über angeblich toxische Corona-Impfungen von sich gegeben hatte. Und dafür soll ich im tip Werbung machen? Muss nicht sein.

Lieber Arnulf,

Ääähhmm – ich möchte im tip nicht auf eine Veranstaltung hinweisen, bei der eine Kabarettistin auftritt, die öffentlich die Lüge verbreitet, dass 5.000 Menschen an der Corona-Impfung verstorben seien. Das ist unverantwortlich und eigentlich widerlich.

Herzlich
Peter

Rating ist schnell und schlagfertig, seine Antwort kam etwa eine Stunde später:

Lieber Peter,

danke für die Antwort.
Abgesehen davon, dass Lisa Fitz schon auf unserer Liste stand, bevor sie diese Äußerung gemacht hat, haben wir uns darauf geeinigt, dass sie genau diesen Punkt aufgreifen und klarstellen wird. Das muss doch möglich sein, oder?
Wir haben uns bemüht, in dieser Veranstaltung – wie immer – auch konträre Positionen zu präsentieren. Wir halten unsere Zuschauer für fähig, sich eine eigene Meinung zu bilden. Genau das kann man ja besprechen. Du kannst ja Anti-Werbung machen. Gerne. Aber das Beschweigen – ist das richtig?

Beste Grüße!
Arnulf

Das Gespräch spitzt sich zu

Von wegen, es geht ein Riss durch dieses Land – jetzt geht schon ein Riss durch Arnulf Rating und mich! Wer tritt in Ratings Show eigentlich noch auf neben Frau Fitz? Schau an, der Herr Martenstein. Das wird ja immer heiterer.

Lieber Arnulf,

ich bin da eher humorfrei, entschuldige. Frau Fitz sollte vielleicht einfach mal in sich gehen und sich überlegen, mit welchen Figuren sie sich gemein gemacht hat, statt ihre verwirrten Äußerungen dafür zu nutzen, sich interessant zu machen. Überhaupt erstaunlich, wie viele Unterhaltungskünstler ohne Medizinstudium sich derzeit für Pandemie-Experten halten und ihr Bauchgefühl mit Kompetenz verwechseln. Deine Entscheidung, ihr eine Bühne zu bieten, vielleicht ist es ja gut fürs Geschäft. Meine Entscheidung, Frau Fitz und ihre Auftritte weiträumig zu meiden.
Dass Du Dich auch um Herrn Martenstein bemühst, ist als menschliche Geste des Mitleids sicher verdienstvoll.

Der arme Mann scheint ja schrecklich darunter zu leiden, dass seine Geschlechts- und Generationsgenossen nicht mehr überall und ausschließlich den Ton angeben. Bei seinem Dauerlamento über gegenderte Sprache und darüber, dass er keine N-Küsse, M-Köpfe oder Z-Schnitzel mehr kaufen kann, freut sich ein Publikum, das überfordert davon ist, dass die Welt sich ändert. Es ist vermutlich ein erfolgreiches Geschäftsmodell, die Zielgruppe der larmoyanten Privilegienbesitzstandswahrer zu bespaßen. Aber ich werde dabei leider wider Willen zum Hardcore-Fan der politischen Korrektheit: Wokeness nervt manchmal, aber wenn der „Zeit“-Zausel in Endlosschleife dagegen anschimpft, kann die Politische Korrektheit nicht ganz schlecht sein. Wenn Du auch noch Hendrik Broder oder Didi „ich gendre nicht“ Hallervorden einlädst, kommen sicher noch mehr Wutbürger in Deine Show. Nicht meine Party.
Du schreibst: „Wir halten unsere Zuschauer für fähig, sich eine eigene Meinung zu bilden.“ Gute Idee. Damit kann man so ziemlich alles rechtfertigen. Notfalls auch eine Einladung an Ken Jebsen.
Natürlich und weil wir uns schon lange kennen und sowieso:

herzlich
Peter

Ratings Antwort kam prompt:

Lieber Peter,
das sind markige Worte, die Dich als Bühnenkandidat für den nächsten Politischen Aschermittwoch qualifizieren. Ich würde Dich den anderen von Dir vorgeschlagenen Kandidaten vorziehen! Ich trete ab und gehe als Resozialisierungsmaßnahme zum tip! Mit Geschäft freilich hat das, was wir seit zwei Jahren auf den Bühnen treiben, leider rein gar nichts zu tun. Der letzte Aschermittwoch in Berlin war gänzlich ohne Live-Publikum. Geschäfte haben Andere gemacht. Wie ich aus einer Anfrage der Linkspartei erfuhr, haben wir durch unsere konsequente Gesundheitspolitik für jeden hier lebenden Menschen vom Baby bis zum Greis acht Impfdosen gekauft. Schnittpreis: 18,80 Euro. Herstellungspreis etwa ein Euro pro Dosis. Dr. Mabuse hat allerdings festgestellt, dass jeder von einem Arzt behandelte Patient trotz aller Bemühungen langfristig doch verstirbt.


Aber halten wir uns nicht mit Personen und Themen auf, über die bald Gras gewachsen ist. Ich bin wie Du manchmal auch ein großer Freund politischer Korrektheit. Deshalb schlage ich vor, dass für die anstehenden Kriege von der WHO eine Gesundheitswarnung ausgesprochen wird: Krieg gefährdet die Gesundheit und ist ansteckend! Der Zweite Weltkrieg hat 60 Millionen Tote gefordert. Das würde unsere Intensivstationen überlasten. Deshalb: Bleibt zuhause! Es geht um Eure Gesundheit! Lockdown für Soldaten! Weltweit.
Korrekt?
Beste Grüße und herzlich!
Arnulf

Und jetzt? Wir bleiben in Kontakt!


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