Ulrike Folkerts ist pünktlich – man könnte auch sagen: viel zu früh. Eine Viertelstunde vor dem vereinbarten Termin betritt sie das Cafй am Neuen See. Sie wollte noch in Ruhe Zeitung lesen, bevor das Interview beginnt. Daraus wurde nichts – dafür kann der Fotograf schon mal Fotos machen und fährt bereits wieder los, als das Gespräch beginnt.
Ulrike Folkerts ist nicht Lena Odenthal. Anders als die „Tatort“-Kommissarin hat sie keine Katze, dafür aber Freundschaften und eine Beziehung. Lena Odenthal löst nun schon seit 20 Jahren schwierige Fälle. Ulrike Folkerts wollte nie in ihrem Leben Polizistin werden, „Kommissarin bei der Kripo schon gar nicht“. Einmal traf sie sich mit echten Polizistinnen. „Was die sich tagtäglich in puncto familiärer Gewalt ankucken müssen – ich weiß gar nicht, wie man das aushält. Schauspielerin zu sein ist schon das Richtige für mich.“ Für Ulrike Folkerts war es nicht immer leicht, Lena Odenthal zu spielen. „Als ich 1988 zum ersten Mal einen ,Tatort‘ drehte, sagten mir alle, das ist jetzt der Karrieresprung, ich bekam eine riesige Aufmerksamkeit. Aber keiner hatte den Mut, mich auch mal anders zu besetzen.“ Nach acht, neun Jahren haderte sie mit der Rolle. „,Tatorte‘ sind auch in der Vita der Regisseure beliebt. Die Regisseure kamen aber nicht zu mir, um mich zu besetzen, sondern um mir zu sagen, dass sie gerne einen ,Tatort‘ drehen würden.“
Dass sie sich im Laufe der Jahre mit der Krimi-Rolle versöhnt hat, lag an den zusätzlichen Angeboten – und der Weiterentwicklung von Lena Odenthal. Drei „Tatorte“ dreht sie mittlerweile pro Jahr, dazu kommen Fernsehspiele wie die SAT.1-Produktion „Liebe in anderen Umständen“ (am 13. Oktober), in der sie eine verheiratete Frau spielt, die von ihrem jüngeren Geliebten schwanger wird. Und sie steht auf der Bühne bei diversen Theaterproduktionen, wie einem Kammerspiel in Hamburg oder im „Jedermann“ in der Rolle des Todes. „Ich will unbedingt weiter Theater spielen, das ist Handwerk von null auf 100.“
Und dann hat sich Ulrike Folkerts noch viele zusätzliche Auftrittsmöglichkeiten geschaffen. Etwa als Unterstützerin von Menschen mit Down-Syndrom, von Straßenkindern und Kindersoldaten in Burundi (Burundi-Kids) sowie als Kämpferin gegen Landminen. Auch als Autorin geht sie immer wieder auf die Bühne, zuletzt gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin, der Künstlerin Katharina Schnitzler, um ihr Buch „Glück gefunden“ (2008) vorzustellen.
Ulrike Folkerts ist immer im Einsatz – bis vor Kurzem sogar in der Schwimmhalle. Als Leistungsschwimmerin startete sie bei den Gay Games in New York (1994) und Sydney (2002) und den Eurogames in Berlin (1996). „Heute gehe ich, wenn es hochkommt, noch zwei Mal im Monat schwimmen – mit Schwimmbrille erkennt mich niemand.“ Das ist beim Joggen im Tiergarten anders: „Erkannt zu werden ist in Berlin aber nicht so schlimm. In Kleinstädten werde ich oft angesprochen oder mit dem Handy fotografiert – manchmal sogar ohne dass ich gefragt werde.“
Die gebürtige Kasselerin ist seit 1989 in Berlin. Als die Mauer fiel, wohnte sie in einem kleinen Gartenhäuschen in Kladow direkt am Mauerstreifen. Heute lebt sie mitten in der Stadt. Und sie gehört zu den wenigen prominenten Menschen, die kein Grundstück im Umland besitzen.Nur in einem Punkt ist Ulrike Folkerts wie Lena Odenthal – sie ist unglaublich diszipliniert. Nach einer Stunde ist das Gespräch beendet. Ulrike Folkerts hat noch einen Anschlusstermin.
Text: Britta Geithe
Foto: Harry Schnitger
20 Jahre „Tatort“ mit Lena Odenthal „Vermisst“, So 11.10., 20.15 Uhr, ARD
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