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60 Jahre Schaubühne: Ein Zeitreise in die Geschichte des legendären Theaters

60 Jahre reicht die Geschichte der Schaubühne zurück – angefangen hat alles am Halleschen Ufer in Kreuzberg, wo Jürgen Schnitthelm mit einer Gruppe von Mitstreitern ein engagiertes und politisches Privattheater gegründet hat. In unserer Fotostrecke zeichnen wir die Entwicklung von den Anfängen über die einflussreiche Ära unter der Leitung des Regisseurs Peter Stein bis zum Umzug ins heutige Gebäude am Lehniner Platz nach. Und wir schauen auf die großen Stars des Hauses – vom legendären Ensemble um Jutta Lampe und Otto Sander bis zu dem heutigen Star und Enfant terrible des Theaterbetriebs Lars Eidinger.


Die Anfänge der Schaubühne in Kreuzberg

Schaubühne am Halleschen Ufer in Kreuzberg, 1960er-Jahre. Foto: Archiv Schaubühne
Schaubühne am Halleschen Ufer in Kreuzberg, 1960er-Jahre. Foto: Archiv Schaubühne

1962 gründete der junge Berliner Theaterwissenschaftler Jürgen Schitthelm mit einigen Weggefährten die Schaubühne am Halleschen Ufer in einem Mehrzweckraum der Arbeiter Wohlfahrt. Heute residiert in dem Gebäude das HAU2, in den späten Sechzigern war das Untergeschoss die Heimat von Conrad Schnitzlers West-Berliner Underground-Club Zodiac. Die Schaubühne am Halleschen Ufer war ein privates Theater mit einem politisch und sozial engagiertem Programm. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten neben Schnitthelm auch Leni Langenscheidt, Waltraut Mau, Jürgen Schitthelm, Dietmar Sturm und Klaus Weiffenbach.


Ein Theater in West-Berlin

"Das Testament des Hundes oder die Geschichte der Barmherzigen" mit Alfred Cogho, Ingo Osterloh, Uta Radecke, Jörg-Dieter Haas, Erhard Günther und Gerhart Imlau, Aufnahme von 1962. Foto: Heinz Köster
„Das Testament des Hundes oder die Geschichte der Barmherzigen“ mit Alfred Cogho, Ingo Osterloh, Uta Radecke, Jörg-Dieter Haas, Erhard Günther und Gerhart Imlau, Aufnahme von 1962. Foto: Heinz Köster

Die Geschichte der Schaubühne begann exakt am am 21. September 1962, mit der deutschsprachigen Erstaufführung von „Das Testament des Hundes oder Die Geschichte der Barmherzigen“ unter der Regie von Konrad Swinarski. Jürgen Schnitthelm (Jahrgang 1939) blieb dem Haus ein halbes Jahrhundert verbunden und trat als Direktor im Oktober 2012 zurück. Legendär wurde die Schaubühne um 1970, dem Jahr, als Peter Stein ans Haus kam.


Die Ära Peter Stein

Antikenprojekt II – "Die Orestie des Aischylos" mit Edith Clever, 1980. Foto: Ruth Walz
Antikenprojekt II – „Die Orestie des Aischylos“ mit Edith Clever, 1980. Foto: Ruth Walz

Beflügeltet von den sozialen Protesten der 68er kam Peter Stein mit einer Gruppe Theatermacher und Theatermacherinnen an die Schaubühne und begründete ein innovatives Theaterkonzept sowie ein legendäres Ensemble, das in die deutsche Theatergeschichte eingehen sollte. Peter Stein blieb bis 1985 Künstlerischer Leiter. 1980 stellte Peter Steins Inszenierung „Orestie von Aischylos“ (Foto) an der Schaubühne am Halleschen Ufer ein gigantisches Theaterspektakel dar. Zehn Stunden lang mussten die Zuschauer ausharren, um der griechischen Tragödie von Anfang bis Ende zu folgen. Ein Racheakt löste den nächsten ab, und das Blut der Opfer ergoss sich in Strömen übers Parkett.


Umzug an den Lehniner Platz

Spektakuläre Architektur – Schaubühne am Lehniner Platz, 1991. Foto: Imago/Detlev Konnerth
Spektakuläre Architektur – Schaubühne am Lehniner Platz, 1991. Foto: Imago/Detlev Konnerth

Expressionistische Filme wie Fritz Langs „Metropolis“ prägten das Bild von Berlin und Erich Mendelsohns Entwürfe sehen aus, als würden sie dem Set des Stummfilm-Klassikers entstammen. Denkt man an moderne Architektur in Berlin, muss man auch an die Formensprache des Expressionismus denken. Mendelsohn baute auch die Schaubühne am Lehniner Platz, damals das Kino Universum (1927-1931), als frühen Höhepunkte seiner Karriere. In den Jahren 1978-81 wurde das Gebäude aufwendig von dem der Architekten Jürgen Sawade umgebaut. 1981 zog die Schaubühne von Kreuzberg in ihr heutiges Haus und nahm im Herbst 1981 den Spielbetrieb auf.


Legendär: Jutta Lampe und das Ensemble

"Triumph der Liebe", Jutta Lampe und Libgart Schwarz, 1985. Foto: Ruth Walz
„Triumph der Liebe“, Jutta Lampe und Libgart Schwarz, 1985. Foto: Ruth Walz

Zu Peter Steins wichtigsten Inszenierungen gehörten „Peer Gynt“ (1971), „Prinz Friedrich von Homburg“ (1972) und „Sommergäste“ (1974). An der Schaubühne etablierte er eine intensive Auseinandersetzung mit der griechischen Tragödie, dem Zeitalter Shakespeares und Tschechows sowie mit Dramatikern des 19. Jahrhunderts. Aber auch Stücke von zeitgenössischen Autoren wie Botho Strauß und Peter Handke gehörten zum Spielplan. Der international renommierte Regisseur Robert Wilson hat mit dem Stück „Death Destruction & Detroit“, das 1979 er an der Schaubühne inszenierte, erstmal in Deutschland gearbeitet. Zum Ensemble gehörten herausragende Schauspieler und Schauspielerinnen wie Ilse Ritter, Jutta Lampe, Udo Samel, Otto Sander, Corinna Kirchhoff und Angela Winkler. 


Nach dem Mauerfall: Die Schaubühne in den 1990er-Jahren

Der Sänger Matteo Monti in "Der nackte Michelangelo", 1998. Foto: Imago/Iko Freese/Drama-Berlin.de
Der Sänger Matteo Monti in „Der nackte Michelangelo“, 1998. Foto: Imago/Iko Freese/Drama-Berlin.de

Mitte der 1980er-Jahre endete die Ära Peter Stein, dann fiel die Mauer und in den frühen 1990er-Jahren gaben die Ost-Berliner Theater plötzlich den Ton an. Neben der Volksbühne, Berliner Ensemble, Gorki und Deutschem Theater, alle in Mitte, geriet die am Kurfürstendamm residierende Schaubühne leicht ins Abseits. Nicht nur geografisch, auch künstlerisch. Erst in den späten 90ern regte sich wieder ein frischer Geist im ehrwürdigen Haus, die Ära Thomas Ostermeier begann.


Die Ära Thomas Ostermeier

Regisseur Thomas Ostermeier, 2003. Foto: Imago/Christian Thiel
Regisseur Thomas Ostermeier, 2003. Foto: Imago/Christian Thiel

1999 war ein Wendepunkt in der Geschichte der Schaubühne am Lehniner Platz. Eine Gruppe von jungen Theatermachern erfand das Haus neu. Mit Thomas Ostermeier, Jens Hillje, Sasha Waltz und Jochen Sandig trat ein Team an, dass bis heute die Theaterlandschaft in Berlin, wenn nicht in der gesamten Bundesrepublik, prägt. Thomas Ostermeier ist bis heute der künstlerische Leiter, er inszenierte ungezählte Stücke an der Schaubühne und gilt als einer der wichtigsten Theaterregisseure des Landes. Seit 2019 ist er Mitglied der Akademie der Künste.


Sasha Waltz beginnt ihren internationalen Triumphzug an der Schaubühne

Sasha Waltz bei einem Publikumsgespräch zur Spielzeit 2002/03 im Foyer der Schaubühne am Lehniner Platz, 2002  Foto: Imago/Iko Freese/Drama-Berlin.de
Sasha Waltz bei einem Publikumsgespräch zur Spielzeit 2002/03 im Foyer der Schaubühne am Lehniner Platz, 2002 Foto: Imago/Iko Freese/Drama-Berlin.de

Neben Thomas Ostermeier waren Jochen Sandig und vor allem Sasha Waltz prägende Personalien bei der künstlerischen Neupositionierung der Schaubühne. Die Choreografin, Regisseurin und Tänzerin stieg nach ihrer Anfangsphase an den Sophiensaelen an der Schaubühne zu einer der international bedeutendsten Choreografinnen auf. Unter dem neuen Team startete die Schaubühne in der Spielzeit 2000 – neben Ostermeiers deutschen Erstaufführung von Lars Noréns „Personenkreis 3.1.“ – mit der Uraufführung von Waltz‘ Stück „Körper“. Waltz verließ bereits 2004 das Haus, sie gründete mit ihrem Partner Jochen Sandig das Radialstem V, ist weiterhin mit ihrer Tanzkompagnie Sasha Waltz & Guests aktiv und inszeniert weltweit Tanztheater sowie Opern.


Der Star der Schaubühne: Lars Eidinger

Enfant terrible der Theaterszene: Lars Eidinger als "Hamlet", 2008. Foto: Arno Declair
Enfant terrible der Theaterszene: Lars Eidinger als „Hamlet“, 2008. Foto: Arno Declair

Kaum ein Theaterschauspieler ist derart berühmt und berüchtigt, wie der 1976 in West-Berlin geborene Lars Eidinger. Längst ist er auch in Kino- und Fernsehfilmen bekannt, sorgt als DJ für wilde Feiern, ist als Influencer in den sozialen Medien unterwegs und ist auch als Hobbydesigner von Ledertaschen im Alditüten-Look in Erscheinung getreten. Seit 2000 gehört er zum Ensemble und hat seitdem ungezählte Hauptrollen in den Inszenierungen von Regisseur:innen wie Thomas Ostermeier, Constanza Macras und Christina Paulhofer gespielt.


Die jungen Wilden und das Haus als Laboratorium

Jule Boewe und Patrick Wengenroth bei der Probe zu "Die bitteren Tränen der Petra von Kant", 2013. Foto: Imago/Pop-Eye/Scherf
Jule Böwe und Patrick Wengenroth bei der Probe zu „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“, 2013. Foto: Imago/Pop-Eye/Scherf

Die Schaubühne blieb als Haus offen für neue Inspirationen und junge Talente. Laut eignem Manifest versteht sich das Haus als „Laboratorium, das im Dialog mit anderen Disziplinen wie Architektur, Bildender Kunst, Musik, Literatur und Film an der Entwicklung einer Theatersprache der Gegenwart arbeitet“. So bietet die Schaubühne regelmäßig ein Forum für interdisziplinäre Formate und gibt auch ungewöhnlichen Künstlern, Regisseuren und Schauspielern Raum für eigene Projekte, etwa dem Theaterregisseur Patrick Wengenroth.


Festival Internationale Neue Dramatik – FIND

Theater ist nicht alles – Party beim F.I.N.D., dem Festival Internationale Neue Dramatik, 2019. Foto: Gianmarco Bresadola
Theater ist nicht alles – Party beim F.I.N.D., dem Festival Internationale Neue Dramatik, 2019. Foto: Gianmarco Bresadola

Ein Kernstück des Spielplans ist seit dem Jahr 2000 das Festival Internationale Neue Dramatik (FIND). Hierzu werden neben etablierten Theatermachern auch unbekannte Talente nach Berlin geladen, um an der Schaubühne ihre Arbeit vorzustellen. So kommt Theater aus unterschiedlichen Sprach- und Kulturräumen zum ersten Mal nach Berlin. Der Grundgedanke des Festivals ist die Erforschung und Entdeckung neuer theatraler Formen und Texte. 


60 Jahre Schaubühne

Die Schaubühne am Lehniner Platz erstrahlt im nächtlichen Neonglanz. Copyright: Imago/Imagebroker
Die Schaubühne am Lehniner Platz erstrahlt im nächtlichen Neonglanz. Copyright: Imago/Imagebroker

Die Schaubühne gilt im 60. Jahr ihres Bestehens als eines der wichtigsten Theaterhäuser des Landes und genießt internationales Ansehen. Die ungezählten Premieren, Uraufführungen, Projekte, Feste und Persönlichkeiten lassen sich an dieser Stelle nicht zusammenfassen, neben den prägenden Figuren wie Jürgen Schnitthelm, Peter Stein, Jutta Lampe, Sasha Waltz, Thomas Ostermeier und Lars Eidinger haben hunderte, wenn nicht tausende anderer Menschen das eindrucksvolle Haus, erst am Halleschen Ufer und seit 1981 am Lehniner Platz, gestaltet, geformt und zu dem gemacht, was es ist – die Schaubühne!


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