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Klassik

Drachenherz in der Neuköllner Oper: „Auch wichtig: Gruppensex in der Küche“

Regisseur und Autor Peter Lund über Drachenherz an der Neuköllner Oper

Peter Lund, Leitungsmitglied der Neuköllner Oper seit 1996.
Peter Lund (53) war seit 1996 Leitungsmitglied der Neuköllner Oper und prägt das Haus bis heute. Seit 2002 ist er Musical-Professor an der UdK (Foto: Raoul Zöllner).
„Drachenherz“ ist eine „Nibelungen“-Variante, genauer gesagt: eine Provinz-Götterdämmerung.

Es geht um einen Haufen junger Männer, die auf der Suche nach einem Männerbild sind. Da taucht Fred auf. Ein toller Typ, der, wie üblich, Objekt der Helden-Demontage wird. Die Frage ist: Warum töten Männer einander? Ein deutscher Stoff.

Ist das Thema Ehre, über das sich die Jungs identifizieren, wirklich wichtig?

Ich fürchte doch. Unten drunter geht es um Aufrichtigkeit, eine als enorm uncool geltende Tugend. Seit Aufkommen des Begriffs „Gutmensch“ sehen wir das polemisch. Ehrlichkeit aber sollten wir uns nicht wegnehmen lassen. Aus genau dieser Lücke, glaube ich, gehen die Straches hervor. Und Trump, der amtierende Alptraum jeder Frau.

Die Musik hat Wolfgang Böhmer komponiert. Wonach wählen Sie Ihre Komponisten aus?

Ich frage, wer Zeit hat, und mache danach das passende Stück. Ich habe immer nur nach Bedarf geschrieben. Den Stoff hatte ich schon zehn Jahre lang auf der Pfanne.

Erstmals teilen Sie sich die Regie. Beginn Ihres Rückzugs aufs Altenteil?

Ein bisschen. In Wirklichkeit ist auch dies ein Versuch zur Ehrlichkeit. Neva Howard war immer schon meine Choreographin, wurde aber fast nie genannt. Mathias Noack ist als Schauspiel-Professor relativ neu an der UdK. Ich glaube, dass kollektives Theater die Zukunft ist.

Erfolgsrezept Ihrer Produktionen waren immer die großartig motivierten Darsteller. Fällt das Grundproblem aller Theaterarbeit, nämlich das Aufwecken eines müden Apparats, hier weg?

Da ist was dran. Mein Stress liegt eher darin, dass jeder Darsteller seine Ballade will. Alle sagen: Meine Geschichte muss auch zu Ende erzählt werden. In uns allen steckt eine Rampensau.

Wie gut Ihre Produktionen waren, richtete sich oft nach dem Thema. Richtig?

Völlig richtig! Wenn das Thema nicht stimmt, lohnt die ganze Arbeit nicht. Vor allem braucht man: eine Haltung.

„In uns allen steckt eine Rampensau“

Peter Lund
Viele Ihrer preisgekrönten Produktionen, „Stella“, „Mein Avatar und ich“ und „Die Krötzkes“, hatten ein unglaublich geschickt geschriebenes Ende. Wie macht man das?

Um mein Erfolgsgeheimnis kurz zu verraten: Es muss elliptisch sein. Man darf nie beim Happy-End stehen bleiben. Nur das zweite Paar kriegt sich. Schließlich bin ich ein Fan glücklicher Underdogs. Auch wichtig: Gruppensex in der Küche!

Würden Ihre Produktionen anderswo funktionieren als an der Neuköllner Oper?

Vieles ist derart am Jahrgang der Studenten entlang geschrieben, dass man das nicht ohne weiteres transponieren kann. Deswegen kommt auch nie eine neue „Lustige Witwe“ dabei heraus. Immerhin, die „Hexe Hillary“ gibt’s immer noch, derzeit in Ljubljana. „Babytalk“ wurde 30 Mal inszeniert.

Sie gelten als Einzelstück. Wo kommt Ihre Arbeit her?

Ich bin ein Kind des Operetten-Stadttheaters meiner Heimatstadt Flensburg. Entscheidend wichtig – neben dem Musical-Regisseur Harold Prince – war auch das Grips-Theater von Volker Ludwig. Theater mit Musik, das hatte es vorher nur im Reichskabarett gegeben. Im Grips hat es überwintert.

Neuköllner Oper Karl-Marx-Str. 131, Do 13.6., Sa 15.6., So 16.6., Do 20.6., Fr 21.6., Sa 22.6., So 23.6., Do 27.6., Fr 28.6., Sa 29.6., So 30.6., 20 Uhr, 19–28 €

www.neukoellneroper.de

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