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Interview

BE-Intendant Oliver Reese: „Das Haus ist schuldenfrei“

Der Laden brummt, das Publikum strömt, die Stadt sagt Danke: Intendant Oliver Reese will für die Zukunft vorsorgen und lässt das Berliner Ensemble vom Senat in eine landeseigene GmbH umwandeln. Wir haben ihn zum Gespräch getroffen.

Oliver Reese ist seit der Spielzeit 2017/18 Intendant am Berliner Ensemble. Foto: Imago/F. Anthea Schaap

Berliner Ensemble nach der Wende: Schaubühne als Beispiel

tipBerlin Lieber Herr Reese, könnte es sein, dass Sie Geld brauchen?

Oliver Reese Weil das Berliner Ensemble wieder vom Land Berlin übernommen und ich ausgezahlt werden soll? Nein, das hat mit meinen privaten Verhältnissen nichts zu tun. Die 50.000 Euro für die Anteile an der GmbH habe ich 2017, als ich Intendant wurde, an meinen Vorgänger Claus Peymann überwiesen. Der hatte sie als Stammkapital eingezahlt, als er 1999 Intendant wurde.

tipBerlin Wie kam es dazu?

Oliver Reese Nach dem Fall der Mauer wurde das BE, das ja ein Theater in der DDR gewesen war, in ein Privattheater umgewandelt. Das hielt man kurz nach der Wende für die beste Lösung, um die Zukunft des Hauses zu garantieren. Als Beispiel diente wohl die Schaubühne, die auch ein Privattheater ist, das öffentlich gefördert wird.

tipBerlin Dieses Modell hat aber am Schiffbauerdamm nicht gut funktioniert, oder?

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Oliver Reese Die Schaubühne war von Anfang an eine private GmbH mit adäquaten Strukturen. Doch dieses Modell ließ sich nicht unbedingt vorteilhaft auf ein Haus mit einer völlig anderen Geschichte übertragen. Zwar installierte man 1992 ein Direktorium mit Heiner Müller, Matthias Langhoff, Fritz Marquardt, Peter Palitzsch und Peter Zadek, von denen jeder 10.000 DM einzuzahlen hatte. Aber diese sogenannte Fünferbande hielt nicht lange zusammen und trennte sich sukzessive. 1995 blieb Müller dann allein als Intendant zurück, bis er ein paar Monate später verstarb. Eine traurige Parallele zu Bertolt Brecht, der 1956 verstarb, bald nachdem er endlich sein eigenes Theater – das Berliner Ensemble – hatte.

„Die künstlerische Freiheit steht natürlich nicht zur Disposition“

tipBerlin Warum verkaufen Sie als alleiniger Gesellschafter nun Ihre Anteile und ebnen den Weg zu einer landeseigenen Gesellschaft?

Oliver Reese Wenn man auf das große Ganze schaut, ist ein Theater in verschärften Krisenzeiten als landeseigene GmbH einfach besser geschützt und für die Zukunft sicherer aufgestellt. Deshalb habe ich schon vor Jahren angeboten, meine Anteile am BE zurückzugeben. Das Land Berlin zahlt derzeit jährlich immerhin 18,7 Millionen Euro an Subventionen – ohne irgendeine Einflussmöglichkeit oder einen Aufsichtsrat zu haben. Das ist doch fast absurd. Der Rückkauf durch das Land Berlin ist derzeit zwar erst eine Willensbekundung, der Finanzsenator und das Abgeordnetenhaus müssen noch zustimmen, aber ich bin guter Dinge, dass aufgrund der Faktenlage nichts mehr schiefgehen wird. Die künstlerische Freiheit steht natürlich nicht zur Disposition, sonst würde ich das nicht machen. Der Zeitpunkt jetzt ist ideal: Das Haus ist schuldenfrei und weitreichend saniert, die Auslastung bestens – 96 Prozent in der laufenden Spielzeit –, und Corona erst einmal vorbei.

tipBerlin Was bedeutet die Umwandlung in eine landeseigene Gesellschaft für den alltäglichen Betriebsablauf?

Oliver Reese Diese Transformation hat für uns einerseits einen bürokratischen Mehraufwand durch zusätzliche Abstimmungsprozesse mit einem Aufsichtsrat und der Senatskulturverwaltung zur Folge. Wir bekommen andererseits Bestandsschutz, Sicherheit und können zugleich Mitglied im Bühnenverein werden, was uns ebenfalls stärken wird.

tipBerlin Wie sieht es mit dem Geld für die Mitarbeitenden aus?

Oliver Reese Das BE hatte lange keinerlei Haustarifvertrag. Vor drei Jahren haben wir das geändert und zusammen mit der Gewerkschaft ver.di und dem Senat einen Haustarifvertrag für nicht künstlerisch Beschäftigte ausgearbeitet, der inzwischen vollständig das Niveau des Tarifvertrages der Länder erreicht hat. Ein Riesenvorteil für die Kolleg:innen! Das hilft uns, Mitarbeiter:innen wie Beleuchter:innen und Requisiteur:innen zu engagieren und zu halten. Früher kamen uns oft das Deutsche Theater oder die Staatsoper dazwischen, die als landeseigene Betriebe bessere Löhne zahlen konnten.

tipBerlin Sie haben das BE wiederbelebt und als kulturellen Leuchtturm etabliert. Ist Ihre Mission damit erfüllt und Sie planen den Abflug?

Oliver Reese Wollen Sie mich loswerden? Nein, im Ernst: Ich habe in meiner Karriere sechs künstlerische Neuanfänge gemacht, immer in neuen Strukturen, ob als Dramaturg am Bayerischen Staatsschauspiel oder als Chefdramaturg bei Bernd Wilms am Deutschen Theater. Jetzt ist’s erst mal gut. Ich möchte am BE die Früchte der Generalsanierung genießen, die wir durchgeführt haben, und ich möchte tolle künstlerische Programme ermöglichen. Nächste Saison werde ich etwa zusammen mit Adam Benzwi einen großen musikalischen Brecht-Abend mit Katharine Mehrling und Paul Herwig inszenieren. Luk Perceval wird weiter bei uns arbeiten, ebenso Mateja Koležnik. Das Werk von Bertolt Brecht wird jedes Jahr einen zentralen Stellenwert haben. Schließlich ist sein Name untrennbar mit diesem Haus verbunden, das bald wieder seiner Stadt gehören soll.

Zur Person

Oliver Reese hat schon vor dem Abitur bei Giorgio Strehler hospitiert, dann u. a. Theaterwissenschaften studiert, war Regieassistent, Chefdramaturg und Intendant an verschiedenen deutschen Theatern – in Berlin am DT und Maxim Gorki – und hat im Laufe seiner Karriere u. a. mit Hans Neuenfels, Robert Wilson, Michael Thalheimer und Jürgen Gosch gearbeitet. Intendant am BE ist Reese seit der Spielzeit 2017/18, sein Fokus liegt auf der zeitgenössischen Dramatik.


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