Inzwischen werden fast mehr Adaptionen von Filmen und Romanen als Theaterstücke auf den Bühnen gespielt, so als würden die Theaterleute dem Theater nicht mehr recht trauen. Weshalb inszenieren Sie jetzt eine Bühnenfassung des Romans „Die Blechtrommel“ von Günter Grass?
JAN BOSSE Das Theater hat sich seine Stoffe schon immer überall hergenommen, wo immer sie auftauchen. Von Shakespeare über Goethe bis Jelinek bedienen sich Theaterautoren bei historischen und epischen Stoffen. Im Theater spiegeln sich Zeiten ineinander. Bei Grass‘ Roman reicht die Handlung von 1899 bis in die Fünfzigerjahre, das Kaleidoskop einer ganzen Epoche.
Der Roman hat gut 700 Seiten, er transportiert einen großen Figurenreichtum und eine enorme Stofffülle: Kindheit in Danzig, eine kleinbürgerliche Familiengeschichte, Faschismus, Krieg, Flucht, Wirtschaftswunder… Wie gehen Sie auf der Bühne mit so einem gewaltigen Stoff um, ohne ihn zu verkleinern?
Man kann nicht anders, als ihn zu verkleinern. Die Verlustgefühle gegenüber dem Roman sind riesig, das ist so. Vieles bleibt auf der Bühne unerzählt. Man muss sich durch das Dickicht des Romans eine Schneise schlagen. Deshalb ist es wichtig, dass Armin Petras als Autor den Roman für die Bühne bearbeitet hat. Das ist die Anverwandlung eines großes Stoffes als eine lebendige Erzählung von Menschen, die das auf der Bühne verkörpern. Dazu kommt: Ich kenne kein Theaterstück, das sich so großartig mit deutscher Geschichte auseinandersetzt, wie dieser Roman es tut. Wir alle haben bei der „Blechtrommel“ lauter Bilder im Kopf, durch die eigene Lektüre, durch die Zeit, in der der Roman spielt und durch Volker Schlöndorffs Film. Die Frage ist, ob das Theater nicht auch starke Bilder evozieren kann, ohne das Romangeschehen einfach zu illustrieren oder nachzuspielen, was ja auch total langweilig wäre. Die Bilder entstehen in den Köpfen, es geht ständig um Assoziationsräume. Wenn bei Grass die Scheiben klirren, denkt man automatisch an die Reichspogromnacht.
Interview: PL
Foto: Bettina Stöß
Die Blechtrommel
So 26.9., Do 30.9.,?Fr 1.10., So 24.10., So 31.10., 19.30 Uhr
?Maxim Gorki Theater, Am Festungsgraben 2, Mitte
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