Bei der Aufführung von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ im Berliner Dom handelt es sich um ein eklatantes Missverständnis. Was der Dirigent und Regisseur Christoph Hagel veranstaltet, ist eine Tortur für jedes Ohr. Dieses Gotteshaus ist nicht unbedingt für derlei Konzertveranstaltungen geeignet. So hallt und schallt, dröhnt und übersteuert es, dass es wahrlich keine Freude ist. Vermutlich wegen dieses grässlichen Klangbreis scheint Hagel zu fürchten, das Publikum könne in die Gefahr geraten, einfach mal dem Ensemble, dem Chor und den Berliner Symphonikern zuzuhören. Kaum singt jemand, tanzt also schon ein anderer wie wild herein, während sich esoterische Projektionen im Hintergrund ausbreiten. Haydns Musik wird hier peinlich plakativ bebildert. Für einen pseudoaktuellen Anstrich sorgen die zum Teil schwer tätowierten Breakdancer, die in völlig sinnfreien Choreografien turnen, toben, trampeln. Die ziemlich gekürzte Komposition wird von Christoph Hagel, der sich trotz mancher gelungener Produktion bisher immer als größerer Musikunternehmer denn als Kunstfreund erwies, durch stilistisch gänzlich fremde Einschübe von Claude Debussy und Arturo Mбrquez verlängert. Adam und Eva sind auch dabei, aber mit dem Paradies hat dieses Spektakel rein gar nichts zu tun.
Text: Irene Bazinger
Foto: Oliver Wia
tip-Bewertung: Ärgerlich
„Die Schöpfung“
Berliner Dom, bis 3.6., Do–So, 20.30 Uhr, Karten: 01805-39 53