Tatsächlich existiert hier höfliche oder gar skeptische Distanz zu William Shakespeare im Zuschauerraum genau so wenig wie auf der Bühne: Man hat sich, im Gegenteil, optisch perfekt angeglichen. Der Endzwanziger (Foto) trägt die gleiche Vokuhila-Perücke wie der Elfenkönig Oberon; die Mittfünfzigerin rechts traut sich in puncto Dekolletй und Abendrobe sogar noch einen Tick mehr als die Bühnen-Athenerinnen in ihren lila Velourshängerchen. Der Grund für dieses performative Gesamtkunstwerk: Die Premiere des „Sommanachtstaraums“ im Prime Time Theater wird mit einer anschließenden Kostümparty gefeiert; und die Kritiker sind tatsächlich nahezu die einzigen vollständig Unverkleideten.
Kurzum: Das gemeine Mitmachtheater würde sich alle zehn Chefdramaturgenfinger lecken nach einem derartigen fakultativen Identifikations- und Beteiligungslevel. Und auch der Härtegrad des Trash-Faktors dürfte nicht ganz leicht zu kopieren sein: Wenn sich das Personal aus der theatereigenen Soap „Gutes Wedding, schlechtes Wedding (GWSW)“ in Shakespeares mittsommernächtlichen Wald verirrt, wo schusselig mit einem Aphrodisiakum herumgeträufelt und lückenlos die These von der Austauschbarkeit des Sexualobjekts bewiesen wird, ist es in puncto Tonhöhe und Wortschatz tatsächlich vollkommen egal, ob man nun die Wedding-Tussi Hermia oder Helena abschleppt. Tunlichst vermeiden sollte man nur, an einen „Prenzlwichser“ zu geraten: Diese Spezies, die in der Prime-Time-Soap schon lange an ihrem künstlerischen Wedding-Doku-Projekt „Zeit und Zeitlichkeit“ arbeitet, spielt hier als ambitionierte Handwerkertruppe – aufbauend auf ihren praktischen Eurythmie- und theoretischen Brecht-Kenntnissen – retrospektiv den Mauerfall. Wir versprechen garantiert nicht zu viel, wenn wir prophezeien: Trash-Unempfängliche werden spätestens nach fünf Minuten entsetzt flüchten!
Text: Christine Wahl
Eine Sommanachtstaraum Prime Time Theater, 1.-5.8., 20.15 Uhr