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In „Escher in Motion” spielt das Theater Thikwa mit ­Verzerrungen

Getanzte Unmöglichkeiten: Das inklusive Ensemble des Theater Thikwa widmet dem ikonischen Maler des Paradoxen, M. C. Escher, eine tänzerische Hommage namens „Escher in Motion”.

Tanz den Escher: Thikwa bringt „unmögliche“ multidimensionale Bilder auf die Bühne. Foto: Pablo Lapettina / Theater Thikwa

Rockstars wie Mick Jagger und Graham Nash verehren ihn, David Bowie ließ sich von seinem Spiel mit Dimensionen und Illusionen inspirieren. Mit seinen dreidimensionalen Darstellungen, die in der physikalischen Realität völlig unmöglich sind, wurde der niederländische Grafiker M. C. Escher in den 60er-Jahren auch zu einer Ikone der Hippies, die in ihm einen Vorreiter LSD-beeinflusster Kunst sahen – sehr zum Missfallen des Künstlers übrigens. Auch mit den Rolling Stones konnte Escher offenbar nichts anfangen, er schlug 1969 Mick Jaggers Bitte um ein Covermotiv fürs „Let It Bleed“-­Album kühl aus.

Die Einladung von Mathematikern zu Vorträgen nahm der 1898 geborene Grafiker hingegen gerne an. Auch ohne tiefere mathematische Kenntnisse, fühlte er sich mehr mit Mathematikern als mit seinen eigenen Berufskollegen verwandt. Und auch die Zahlenakrobaten zeigten sich von Eschers Spiel mit Perspektiven und Verzerrungen begeistert, illustriert sein Umgang mit Räumen, Figuren und den Dimensionen doch sinnlich abstrakte mathematische Theorien und Gleichungen.

Eschers mit optischen Täuschungen spielende Darstellungen auf eine reale Theaterbühne zu bringen, ist schon sportlich

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Eschers realistisch anmutende Bilder multidimensionaler Objekte betört auch die Choreografin Linda Weißig. Ihr gefällt, wie Eschers Grafiken die Betrachtenden irritieren, weil sie damit an Gewissheiten und vermeintlichen Sicherheiten rütteln. Gemeinsam mit dem inklusiven Ensemble des Theater Thikwa widmet sie dem Maler des Paradoxen nun in „Escher in Motion“ eine tänzerische Hommage. „Eigentlich sollte das Stück schon voriges Jahr zum 125. Geburtstag von Escher rauskommen“, erzählt Weißig, „aber da passte es nicht in den Spielplan, auch wegen noch von der Covid-Pandemie aufgestauter Verschiebungen. Deshalb kommt meine Hommage jetzt anlasslos – außer, dass Escher natürlich an sich ein Anlass ist.“

Spiel mit Eschers reflektierender Kugel – Foto: Pablo Lapettina / Theater Thikwa

Eschers mit optischen Täuschungen und Unmöglichkeiten spielende Darstellungen auf eine reale Theaterbühne zu bringen, ist allerdings schon auch sportlich. Aber Weißig sieht in den fließenden Dynamiken seiner Flächenfüllungen und Transformationen viel Gemeinsamkeiten mit dem Tanz. „Was ich in seinen Bildern finde, ist das Spiel mit Symmetrie und Asymmetrie, mit verschieden Realitätsebenen. Das hat der Tanz auch, weil er ja abstrakt ist.“

Die Netflix-Serie „Squid Game” lieferte die Inspiration für „Escher in Motion”

Auf die Idee kam sie durch die Netflix-Serie „Squid Game”, in der verschiedene surrealistische Kunst-Referenzen zitiert werden, darunter auch eines der ikonischen Motive Eschers: die Penrose-Treppe. Ursprünglich stammt die physikalisch „unmögliche Treppe“ von den britischen Mathe­matikern ­Lionel und Roger Penrose, doch Escher ­machte sie populär. „Eschers Bilder sind sehr bewegt“, meint Weißig. „Was dann noch ganz besonders anregend für den Tanz ist, sind Eschers Flächenfüllungen, seine Tessellationen, also ­Mosaike, Strudel, da fließt alles und transformiert sich, Fische werden zu Vögel, Vögel zu Wasser – diese Transformation, diese Bewegung, das alles ist schon sehr tänzerisch.“

Seit 2007 arbeitet die gebürtige Berlinerin bei Thikwa als Tanztrainerin und Choreografin, wo sie Tanztheaterstücke wie „Extremities“ choreografierte, eine Anklage gegen den körperlichen Optimierungswahn. Darin arbeitete sie bereits mit der Sound- und Videodesignerin Adi Kum zusammen, die nun auch dabei ist, um Eschers komplexe Bilderwelten in Bewegung und Klang zu übersetzen.

So spielen Musik, Sounds und Projektionen eine große Rolle. Das Problem: „Da alle seine Kunstwerke urheberrechtlich geschützt sind, können wir ihn nur zitieren“, sagt Weißig. Ungeahnte Unterstützung erhält sie dabei von einem der Thikwa-Performer: Sammy Serag haben Eschers Bilder so fasziniert und inspiriert, dass er sie in ganz eigenen Interpretationen nachgezeichnet hat. „Ein Clou!“, meint Weißig.

Sie interpretiert Eschers Werk durchaus politisch darin, gesellschaftliche Realitäten kritisch zu betrachten und zu hinterfragen. „Das Stück spielt viel mit Leichtigkeit und auch mit Humor, aber dann wird es ernster. Escher hat ja zwei Weltkriege miterlebt und das spielt in seine Werke durchaus auch ­hinein. Auch wir erleben ja momentan viel Schlimmes in der Welt und das möchte ich nicht außen vor lassen.“

  • Theater Thikwa Fidicinstr. 40, Kreuzberg, Mi-Sa 15.-18.5., 20 Uhr, 17.+18.5. auch 18 Uhr, Tickets: 16, erm. 10 €, online

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