Fabian Hinrichs inszeniert in der Volksbühne mit ehemaligen Tänzerinnen des Friedrichstadt-Palasts Lord Byrons vergessenes Werk „Sardanapal“ als Plädoyer für den Genuss
Fabian Hinrichs weiß, es wird schwer werden jetzt. Bei unserem Treffen in der Volksbühne ist der Schauspieler und Regisseur zunächst etwas zögerlich damit, seine Absichten preiszugeben. Noch haben die Proben gar nicht begonnen, vieles sei in der Umsetzung noch unklar. Natürlich habe er seine Ideen, aber festlegen lassen wolle er sich nicht, er gehe ergebnisoffen in die Proben. Das Stück „Sardanapal“, das er nun inszenieren wird, ist 200 Jahre alt. Es umtreibt Hinrichs seit Jahren, 2019 schrieb er darüber in der „FAZ“.
George Byron: Einst der Erfolgsautor Nummer eins, heute fast völlig vergessen
„Dass die Zeit jeden von uns totschlägt und selbst vom großen Alexander nur Dreck bleibt, der ein Spundloch stopft, ist schon oft gedacht und geschrieben worden. Dass aber ein Mann, der vor 200 Jahren dem Seelenzustand einer ganzen Zeit seinen Namen lieh, nach dessen Tod sich Frauen von Klippen und Männer in Mutlosigkeit stürzten, dass dieser Mann und all seine Werke vollkommen vergessen wurden – das ist bemerkenswert, ernüchternd und zu betrauern.“
Auch das Stück ist, wie sein Autor George Byron, fast völlig vergessen. Dabei war der Brite in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts der Erfolgsautor Nummer eins, berühmter als Goethe, gefeiert wie ein Popstar. Das Stück erzählt vom assyrischen König Sardanapal, der völlig anders gestrickt ist, als es Machtmenschen gemeinhin sind: „Sardanapal will keinen Krieg führen, er will keine expansive Machtpolitik ausüben, er will leben und leben lassen und genießen“, sagt Hinrichs. „Doch er frönt keinem verengten Egoismus, weil er auch seinen Untertanen ein genussvolles Leben gönnt, verordnet und ermöglichen möchte.“
Schon die Spätromantiker meinten, die letzte Generation zu sein
Der besonders für seine Soloabende mit René Pollesch gefeierte Schauspieler Fabian Hinrichs ist einer, der gerne nachdenkt. Er gilt gewissermaßen als der Philosoph unter den Schauspielenden. „Die Schriftsteller und Intellektuellen, die wir heute als Spätromantiker bezeichnen und zu denen Byron der Einfachheit halber getrost gezählt werden kann, besaßen bereits die Überzeugung, die letzte Generation zu sein“, sagt er in Anspielung auf das heutige gleichnamige Bündnis von Aktivist:innen. „Es gab 1816 dieses erschütternde ,Jahr ohne Sommer‘ als Folge eines Vulkanausbruchs in Indonesien. Man hat diese Düsternis als erfahr- baren Vorboten der Apokalypse betrachtet.“ Die mit den Passatwinden bis nach Europa verteilte Aschewolke verdunkelte die Sonne und machte den Sommer zum Winter.
„Byron selber – und auch Sardanapal im Stück – lebt in der Gewissheit, dass einerseits die Welt auch ohne ihn weitergeht, so wie die Welt auch ohne den Menschen weitergehen würde, jetzt im Anbetracht der Klimakatastrophe besitzt dieses Gefühl eine Dauerkarte für einen Tribünenplatz in unserem Bewusstsein“, sagt Hinrichs. „Und andererseits gibt es doch den eigenen Genuss, das eigene Schicksal, das eigene einzige Leben. Im Stück geht es viel um Sinnlichkeit und das direkt Erfahrbare“, meint er, „das heißt Erfahrungen, die das Denken in einen Prozess bringen.“
Und so soll die Inszenierung auch sinnlich und unterhaltsam werden, es gibt Musik und Tanz. Mit Hinrichs stehen Ex-Tänzer:innen des Friedrichstadt-Palastes, junge Tanzende der Flying Steps, das Jugendsinfonieorchester Berlin und mit Lilith Stangenberg und Benny Claessens auch zwei Stars des Volksbühne-Ensembles mit auf der Bühne.
- Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte, Premiere 21.4., 19.30 Uhr, Karten 12-38 €, www.volksbuehne.berlin
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