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„Frankenstein“ am Deutschen Theater: Künstliche Menschen ante portas

Jette Steckel inszeniert „Frankenstein“ am Deutschen Theater. Das Thema ist in Zeiten von künstlicher Intelligenz aktueller denn je. Und so fragt die Produktion 203 Jahre nach der Veröffentlichung des Gruselklassikers: Wer ist hier eigentlich das Monster?

Maren Eggert, Felix Goeser und Alexander Khuon treten im Deutschen Theater in der „Frankenstein“-Inszenierung auf. Foto: Arno Declair

In Jette Steckels „Frankenstein“ ist von „Creature“ die Rede

Nein, das Monster heißt nicht Frankenstein. Das ist ein populäres Missverständis mindestens seit der ikonischen Darstellung der Kreatur durch Boris Karloff in der Verfilmung von 1931, der unzählige weitere folgten. Einen eigenen Namen hat das Geschöpf mit kantigem Schädel und vielen Narben von seinem Schöpfer Dr. Victor Franken­stein gar nicht erst bekommen, beziehungsweise von seiner eigentlichen Schöpferin, der Autorin Mary Shelley. Sie bezeichnet ihn in ihrem vor 203 Jahren erschienenen Roman nur als „creature“, „being,“ „unhold“, „daemon“ oder eben „monster“. In Jette Steckels Inszenierung am DT, deren Bühnenfassung sie mitverfasst hat, heißt der künstliche Mensch „Creature“.

„Ich kannte den Stoff zunächst nur aufgeladen mit den ganzen Klischees in den Verfilmungen und habe erst viel später überhaupt mal den Roman gelesen“, erzählt Jette Steckel. „Dabei fand ich die Fantasie maßgeblicher, dass eine 19-Jährige dies geschrieben hat, die den Roman zunächst als Mann veröffentlichen musste, als Verfasser galt ihr Mann Percy Shelley. Wie beschreibt sie sich eigentlich selber in dem Wunsch, Schöpferin und auf der anderen Seite ein bisschen die entmün­digte Kreatur zu sein?“

Die „Frankenstein“-Autorin taucht als Person im Stück auf

Deshalb bezieht Steckels Bühnenfassung relativ viel aus dem Tagebuch und anderen Schriften Mary Shelleys mit ein und auch als Person taucht sie im Stück auf. „Wir haben ein Figurengebäude aus Mary Shelley und ihren beiden Kreaturen Frankenstein und Creature.“ Das Ensemble aus Maren Eggert, die schon im Film „Ich bin dein Mensch“ mit künstlichen Wesen in Berührung gekommen ist, Felix Goeser und Alexander Khuon switcht im Spiel zwischen Creature, Frankenstein und Shelley. Das ambivalente Schöpferverhältnis zwischen den beiden Figuren und der Autorin wird so unterstrichen. „Es geht auch um den Punkt“, erklärt Steckel, „dass jeder Aspekt von Frankenstein und Creature in jedem und jeder steckt. Wer ist hier eigentlich das Monster?“

Angesichts von menschengemachter Klima­krise und der zu Shelleys Zeit noch utopischen heutigen Realität von künstlicher Intelligenz (KI) und Regenerativer Medizin liegt ein Hauptfokus der Inszenierung auf der Frage, wie weit die Forschung in ihrem Wissensdrang gehen darf. „Was Shelly noch als Scherz und nicht vorstellbar in ihren Vorworten beschreibt, ist heute alles andere als ein Scherz und durchaus vorstellbar. Dass wir einen künstlichen Menschen erschaffen, klonen, ist ja völlig real“, meint Steckel.

Shelleys Fantasie und Frankensteins Hybris sind heute greifbar nah

In den USA werden Verstorbene bereits in Edelstahlbehältern bei minus 196 Grad eingefroren, bis es der Medizin gelingt, abgestorbenes Gewebe durch neues zu ersetzen und Menschen zu reanimieren. Kryokonservieren heißt das. „Organe kann man heute schon mit dem 3D-Drucker nachmachen und ersetzen“, sagt Steckel. Shelleys Fantasie und Frankensteins Hybris sind heute greifbar nah.

„Es geht uns aber nicht darum, die Story total zu überschreiben und die Erfindung der KI zum ­Thema zu machen“, betont Steckel. „Doch die Aspekte, die unweigerlich im Stoff mitschwingen, wollen wir schon deutlich machen. Zwar auf Basis vieler hinzugezogener Texte, aber das Fundament bleibt das Original, Mary Shelleys Roman.“

Und der stellt bereits im Kern die Frage: Wie zerstörerisch ist der Ermächtigungsdrang des Menschen über seine Existenz?

  • Premiere 25.9.2021, 19.30 Uhr, Regie: Jette Steckel; mit Maren Eggert, Felix Goeser, Alexander Khuon
  • Deutsches Theater Schumannstr. 13a, Mitte, Tickets und weitere Termine: www.deutschestheater.de

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