Diese dreimal fett unterstrichene Gebärdenästhetik, mit der hier Haare gerauft, Hände vor den Mund geschlagen und Stirnen in Falten gelegt werden, bekommt man anderswo schon seit Jahrzehnten nicht mehr zu sehen. Zudem spricht es für Peymanns vitalen Hang zur Ironie, sich für diesen Museumsbeweis ausgerechnet „Frühlings Erwachen“ auszusuchen. Frank Wedekinds 1891 entstandenes Drama über Sextrieb und Leistungsdruck 14-jähriger Pennäler inszeniert der 71-Jährige auf stilsicherer Augenhöhe mit vorsintflutlichen Lausbubengeschichten: Die Jungs tragen Kniebundhosen und in liebevoller Kleinstarbeit mit Patina ausgestattete Ledermäppchen, die Mädchen dunkle Maxiklamotten zu treudoofem Blick und die Lehrer extrahohe Zylinder über putzigen Schnabelschuhen. Schade nur, dass der jugendliche Hauptheld Melchior (Sabin Tambrea) aus dem Halbprofil ein bisschen wie Mario Gomez aussieht: Das bringt dann doch der Gegenwart zu viel in diese peinliche Retro-Veranstaltung!
Text: Christine Wahl
Foto: Monika Rittershaus
Tip-Bewertung: Uninteressant
Frühlings Erwachen, Berliner Ensemble Bertolt-Brecht-Platz 1, Mitte, Sa 27.12., Sa 3.1., 19.30 Uhr
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