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Interview

Guntbert Warns’ Pläne fürs Renaissance Theater: „Irgendwas ist immer möglich“

Mit der Spielzeit 2020/21 hat der Schauspieler und ­Regisseur Guntbert Warns die Leitung des Renaissance Theaters übernommen. Warns kennt das Haus gut, seit 2007 gehört er dem offenen Ensemble des Theaters an und inszenierte dort auch regelmäßig. Der 61-jährige Berliner erzählt im tip-Gespräch über die Schwierigkeiten seiner Spielzeitplanung unter ­Corona, Kultstücke und seine Pläne für das traditionsreiche Privattheater.


Der neue Intendant des Renaissance-Theaters: Guntbert Warns. Foto: Harry Schnitger
Der neue Intendant des Renaissance Theaters: Guntbert Warns. Foto: Harry Schnitger

tipBerlin Herr Warns, Sie haben sich Ihre erste Spielzeit als Intendant am Renaissance Theater vermutlich anders vorgestellt?

Guntbert Warns Aber Hallo! Ich musste wegen Corona meine gesamte Planung umwerfen. Eigentlich wollte ich mit voller Überzeugung und viel Lust und Laune mit „König Lear“ in einer Übersetzung von Thomas Melle meine Intendanz beginnen. Also den Gedanken des Renaissance Theaters mit einem Stück aus der Renaissance in moderner Bearbeitung auf die Bühne bringen. Das war meine Idee mit einer super Besetzung, unter anderem Katharina Thalbach – aber das hat mir Corona komplett zergrätscht. Ein solches Ensemblestück ist derzeit leider nicht möglich.

tipBerlin Sie setzen in Ihrem Programm nun sehr auf musikalische Produktionen – müssen die ähnlich profilierte Bar jeder Vernunft und das Tipi die neue Konkurrenz fürchten?

Guntbert Warns Nein, das ist auch keine Konkurrenz, wir sind ja freundschaftlich-kollegial verbunden. Das Programm ist auch ein bisschen aus der Not heraus entstanden. Zwar gelten bei Gesang noch größere Abstandsregeln als sowieso, aber wenn es Solisten sind und wir die Abstände – vier Meter zum Publikum und zwei ­Meter nebeneinander – einhalten, geht es.

Ich wollte auch nicht wie andere alle Stücke im Repertoire auf Corona-Bedingungen umstricken, schon weil das ein Eingriff in die künstlerische Arbeit des jeweiligen Regisseurs wäre. Ich denke auch, „Romeo und Julia“ etwa geht nicht ohne Anfassen, außer es wäre künstlerisch von vorneherein so gewollt. Und dann sind wir abstandstechnisch schnell an einer Grenze angelangt.

Meine letzte Regie am Haus, „Der Sohn“ von Florian Zeller, ist ein so intensives Stück zwischen Eltern und Sohn, wenn ich da sage, ihr müsst, selbst wenn es zur Sache geht, wegen der Aerosole vier Meter voneinander entfernt bleiben, das kann ich nicht machen. Und zu sagen, wir deklamieren jetzt alle Stücke ordentlich mit Abstand nebeneinanderstehend und vier Meter von der Rampe entfernt, ist auch nicht wahnsinnig spannend.

tipBerlin Befürchten Sie, dass das Publikum trotz allem aus Bedenken vor geschlossenen Räumen wegbleiben könnte?

Guntbert Warns Viele freuen sich, dass es endlich wieder losgeht. Dieses Spielzeitprogramm ist ja auch ein Versuch, die Leute langsam wieder ans Theater zurückzuführen. Ich glaube, dass wir das in diesen kleinen Formaten besser machen können. Andererseits ist es auch ökonomisch geboten, wenn wir nur ein Viertel unserer Plätze verkaufen dürfen, statt 545 nur rund 140. Aufwändige Produktionen rechnen sich da gar nicht.

tipBerlin Sie sind dem Renaissance Theater als Schauspieler und auch Regisseur schon lange verbunden. Werden Sie als Intendant eher für Kontinuität des Profils stehen oder wollen Sie das Haus neu profilieren?

Guntbert Warns Ich stehe klar für die Kontinuität. Natürlich ergeben sich durch neue Konstellationen auch neue Gedanken. Zum Beispiel, wenn wir durch die Aufführung von dem Rockmusical „Hedwig and the Angry Inch“ den Versuch machen, eine 23-Uhr-Schiene zu etablieren, auf der möglicherweise auch ein anderes Theater, andere Ästhetiken angeboten werden.

tipBerlin Mit „Hedwig …“ haben Sie eine eigene Inszenierung, die bereits 2013 in den Kata­komben des Admiralspalasts Premiere hatte und danach auch im BKA lief, auf den Spielplan gesetzt. Es ist im Wesentlichen ein Ein-Mann-Stück mit dem Entertainer Sven Ratzke, wie passend in Corona-Zeiten. Ist das der Grund, warum Sie es nun erneut im Renaissance Theater zeigen?

Guntbert Warns hatte sogar ein Musical von David Bowie in Planung

Guntbert Warns Das ist sicher ein Grund, aber da passt vieles zusammen. So hatten Sven Ratzke und ich schon lange vor, wieder etwas gemeinsam zu machen. Er ist ein wunderbarer Künstler und auch die Produktionen, die er in den vergangenen Jahren gemacht hat, etwa seine Da­vid-Bowie-Abende, finde ich großartig.

Ursprünglich wollten wir gern Bowies Musical „Lazarus“ machen, aber das ist leider aus technischen Gründen in unserem Haus nicht machbar; die Grundbedingungen des Verlages allein an die Größe der Besetzung sind nicht umsetzbar – schon gar nicht jetzt unter Corona. Sven insistiert schon seit Jahren, „Hedwig“ noch mal zu machen und ich werde auch sonst immer wieder darauf angesprochen. Das Stück hat ja nicht nur hierzulande sondern international eine riesen Fangemeinde.

tipBerlin Andererseits hat es das Stück in Berlin nicht auf dem Kultstatus gebracht wie am Broadway oder in anderen Ländern.

Kult braucht Zeit, meint Guntbert Warns

Guntbert Warns Ich glaube, wenn wir länger im Admirals­palast hätten bleiben dürfen, wäre es das auch hier geworden. Auch in New York hat das lange gedauert, bis es Kult wurde. Im BKA war das Problem, dass es keine Regelmäßigkeit gab. Wenn die Leute wissen, dass es dann und dann regelmäßig läuft, kann sich das erst entwickeln. Das machen wir nun und wir werden sehen.

tipBerlin Sie zeigen zum Spielzeitstart einen Liederabend, bei dem Sie selbst auch in die Gitarre greifen. Was ist der rote Faden bei „Irgendwas is imma“?

Guntbert Warns Das ist eben auch Corona geschuldet. Wir sind derzeit nicht in der Lage, die große Premiere mit dem großen Bühnenbild und der großen Ausstattung zu stemmen. Weil wir angesichts der nun geringen Zuschauerkapazität auch einsparen müssen. De facto ist es so, dass ein lange geschlossenes Haus wieder die Türen öffnet. Und damit hat der Abend was zu tun.

„Irgendwas is imma“ ist der Leitfaden, der uns begleitet, wenn wir die Spielzeit planen und drei Tage später wieder umschmeißen müssen, weil es eine neue Hygiene-Verordnung gibt. Doch in dem Titel schwingt auch Positives mit, weil wir uns nicht ins Bockshorn jagen lassen wollen und eine Alternative finden: Irgendwas ist immer möglich.

tipBerlin Immerhin ist mit „Die Vodkagespräche“ sogar eine Uraufführung möglich, wenn auch als „ge­spielte Lesung“ mit Karoline Eichhorn und Catrin Striebeck.

Guntbert Warns Catrin Striebeck sollte auch im „Lear“ mitspielen. Und als wir das alles verschieben mussten, hat sie mich gefragt, ob sie nicht mit Karoline Eichhorn diese Produktion bei mir machen könne. Da habe ich natürlich sofort zugegriffen. Der Untertitel ist ein bisschen irreführend, denn es ist schon ein Schauspiel, bei dem zwischendurch auch mal gelesen wird, was das Stück des Dänen Arne Nielsen auch verlangt. Als Stimme ist Sepp Bierbichler sehr präsent dabei. Es geht um zwei Schwestern, die sich nach der Be­erdigung ihres Vaters, der seinen Nachlass der AfD vererbt hat, in dessen Haus treffen und alte Wunden aufreißen.

tipBerlin Meinen Sie, die gesamte Spielzeit wird Corona nur eher kleine Formate zulassen?

Guntbert Warns Bitte, bitte nicht! Denn ich plane für den Dezember die Erstaufführung von ­An­tony McCartens „Die zwei Päpste“.

tipBerlin Das Buch über die Päpste Franziskus und Benedikt hat Netflix mit Jonathan Pryce und Anthony Hopkins erfolgreich verfilmt.

Guntbert Warns Ich habe die deutschsprachigen Erstaufführungsrechte für das Theaterstück bekommen. Ich würde irrsinnig gerne die Besetzung für die beiden Hauptrollen verraten, aber da die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, darf ich das nicht. Aber sie wird hochkarätig!


  • Renaissance Theater, Knesebeckstr. 100, Charlottenburg, Spielzeitstart war am 4.9. mit „Irgendwas is imma – Ein liederlicher Abend“, „Hedwig and the Angry Inch“ ab 17.9., 19.30 Uhr, 19.9., 23 Uhr, „Die Vodkagespräche“ ab 18.9., 19.30 Uhr, ­www.renaissance-theater.de

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