Was kann denn jetzt der arme Brief dafür? Als der gute Andrew bei seiner Jugendliebe Melissa keinen hochkriegt, sollen ausgerechnet die vielen Briefe, die sich die beiden seit der zweiten Klasse geschrieben haben, schuld daran sein. Denn so sei es, als wären noch zwei andere Personen, eben die Briefschreiber, im Raum gewesen. Büttenpapier killed the Libido-Star. Dies ist schon einer der tiefsinnigeren Gedanken von „Love Letters“. Ein Stück, in dem sich zwei Menschen die Zeugnisse ihrer lebenslangen Freundschaft aus 50 Jahren vorlesen. Schularbeiten werden diskutiert, Weihnachtsgrüße verschickt, Bilder von Bettpfannen aus dem Krankenhaus versendet und Eheprobleme diskutiert. Was praktisch für Hannelore Hoger und Peter Sattmann ist, die diese schrulligen Brieffreunde geben: Die beiden TV-Schauspieler können mal wieder Theaterluft schnuppern, ohne viel Text lernen zu müssen. Und da das Ganze als szenische Lesung (Regie: Alfred Kirchner) angelegt ist, halten sich auch Spiel (drei Tanzeinlagen Hogers, eine Zigarettenübergabe als Affären-Metapher), Bühne (ein Korb Äpfel) und Licht (an, aus) in Grenzen.
Applaus gibt’s in dieser Schmonzette schon fürs pure Erscheinen der beiden – und der Applaus ist genauso vorhersehbar wie das wohlige Raunen bei jedem der kleinen Schweinigel-Worte („Scheiße“, „Nutte“). Theater kann so einfach sein, wenn man nur Abendunterhaltung und ein heimeliges Maß an Selbstvergewisserung erwartet. Aber der Abend funktioniert. Sattmann und Hoger wachsen immer besser in ihre Rollen hinein – oder besser: die Bühnenfiguren passen sich dem Alter ihrer Schauspieler an.
Text: Björn Trautwein
Foto: derdehmel
(tip-Bewertung: Zwiespältig)
Termine: Love Letters
im Schloßpark Theater, Schloßstraße 48, Steglitz
Sa 9. bis Mo 11.1., 20 Uhr
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