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Musiktheater-Installation

Allen Ginsbergs „Howl“ als Musiktheater-Adaption in der Volksbühne

Radical Chic: David Marton macht aus Allen Ginsbergs „Howl“
eine Musiktheater-Installation

david baltzer / bildbuehne.de

Freundlicherweise hat die Volksbühne Allen Ginsbergs Gedicht „Howl“ im Programmheft des gleichnamigen Theaterabends abgedruckt, so ahnt man zumindest, um was es hätte gehen können: „I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving hysterical naked, dragging themselves through the negro streets at dawn looking for an angry fix, angelheaded hipsters burning for the ancient heavenly connection to the starry dynamo in the machinery of night…“ Ginsbergs Manifest der Beat-Generation, ein Abgesang auf den amerikanischen Alptraum, ist eines der einflussreichsten und schönsten Gedichte des 20.Jahrhunderts.

Es wäre erfreulich, wenn ein Theaterabend, der sich nach Ginsbergs „Geheul“ benennt, zumindest ein kleines Echo, einen bescheidenen Abglanz dieses „Sternendynamos in der Maschinerie der Nacht“ zum leuchten bringen könnte. Bedauerlicherweise kann man das von David Martons dröhnend um sich selbst kreisender Musiktheater-Installation nicht behaupten. Die völlig korrekte Frage, die Ginsberg angesichts der Verwüstungen der Konsumkultur stellt, drängt sich leider auch im Angesicht der sehr viel harmloseren, weil nach 90 Minuten beendeten (und nach 91 Minuten vergessenen) Aufführung auf: „Welche Sphinx aus Zement und Aluminium schlug ihnen die Schädel auf und fraß ihnen das Hirn und die Phantasie heraus.“

Hippies + Militär = Silicon Valley

Auf der Bühne ist allerhand los. Eine als Indianerin verkleidete Freakbraut verbrennt Geldscheine. Ein schmerbäuchiger Cop (das bewährte Volksbühnen-Kraftpaket Hendrik Arnst) schikaniert Hippies. Eine Pianistin und ein Pianist sorgen im Black Panther-Look (schwarze Lederjacke, Sonnenbrille, Afro, Barett) für Radical-Chic-Zeitkolorit. Weil die Hippies bekanntlich auch das Silicon Valley erfunden haben (in Zusammenarbeit mit dem US-Militär), schlurft ein Junge in Shorts und Coca-Cola-T-Shirt mit einem Computermonitor statt eines Kopfes durch den Abend, vielleicht der junge Steve Jobs. Eine Blondine im grünen Kleid zuckt in ekstatischen Tänzen. Ein beseelter Jüngling verrenkt die Arme wie ein bekiffter Sonnenanbeter. Auch die Drehbühne hat ordentlich zu tun. Als klischeeseliges Kontrastprogramm zu den Clowns der Gegenkultur stolzieren Highheel-Schönheiten wie aus „Mad Men“ über die Bühne. Der Soundtrack, in besseren Marton-Aufführungen der Kern der Inszenierung, bewegt sich einigermaßen beliebig und ziellos, dafür mit Freude am Effekt, zwischen Schrammel-Jazz, auf den Flügel geprügelte Brachialdekonstruktion, Klassikzitaten und Repetitionsendlosschlaufen. 

Ach ja, ein bisschen Ginsberg kommt auch vor, wenn auch nur als Parodie. Sir Henry gibt verkleidet als „Mad Men“-Don Draper die „Holy, Holy“-Passagen der Fußnote des Gedichts zum besten. Eine Psychiatrie-Szene unter weißer Neonröhre verweist kurz auf die Elektroschockbehandlung, die Ginsbergs Freund Carl Salomon über sich ergehen lassen musste. Silvia Rieger sorgt mit ihrer im Vollpathos-Modus gebrüllten Verfluchung des „Molochs“ für unfreiwillige Komik. Die Aufführung macht mit Ginsbergs Gedicht das, was Nixon gerne mit den Hippies gemacht hätte (und das ist nichts Gutes).

Howl in der Volksbühne, 10–30 €

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