Ein paar modische Theorieeinsprengsel können nie schaden, also doziert die angespannte Großstadtbewohnerin, was Rem Koolhaas über das Funktionsdesign moderner Bürobauten zu sagen hat. Aber der unverbindliche Ausflug ins Architektendiskursgesäusel ist nur eine Übersprungshandlung. Eben noch hat die Theoriebegeisterte in einem schäbigen Callcenter hysterisch in den Hörer geschrien, verloren in Downtown. Und weil in Städten alles unverbunden nebeneinander passiert, baggert neben ihr der schmierige Callcenterbetreiber eine Asiatin an, singt jemand hilflos ein Lied aus Schuberts „Winterreise„, kommt aus einem Ghettoblaster schlimmster 80er-Jahre-Pop, wühlt sich ein Bettler durch Müllberge, prügelt ein Polizist auf sein Opfer ein, spaziert ein kleiner Junge im Film stolz mit einer großen Pistole, die ziemlich echt aussieht, durch die Straßen irgend eines Elendsviertels.
Constanza Macras’ neues Stück „Megalopolis“ an der Schaubühne ist eine Collage ineinandergeschnittener, verdichteter Momentaufnahmen einer globalisierten Megacity, nervös, melancholisch, komisch. Filmbilder aus Asien, Lateinamerika, den USA, aber auch Animationen von Albert Speers Plan für den Umbau Berlins in Germania flackern über und neben dem trostlosen Verschlag, der den Städtebewohnern eher provisorisches Versteck als ein Halt ist. Vor diesen Bildern globaler Megacitys schrumpft der Einzelne zur winzigen Ameise, isoliert, orientierungslos und vollauf damit beschäftigt, irgendwie zu überleben. Macras’ Performer aus Brasilien und Korea, aus Deutschland, Argentinien, Kanada und Japan erzählen von diesem Druck – aber noch mehr erzählen sie vom trotzigen Willen, daraus das Beste zu machen, zum Beispiel, indem sie sich wild auf dem Boden wälzen oder mitten im tristen Chaos einfach mal eine Arie aus der „Zauberflöte“ singen.
Text: Peter Laudenbach
Foto: Thomas Aurin
tip-Bewertung: Sehenswert
Termine: Megalopolis
an der Schaubühne,
Tickets www.tip-berlin.de/tickets
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