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Roman-Adaption

Michel Houellebecqs „Die Möglichkeit einer Insel“ am Berliner Ensemble

Letzte Tage der Menschheit: Ansichten eines Klons: Robert Borgmann sucht mit Michel Houellebecq „Die Möglichkeit einer Insel“

In der Ecke liegt ein Erdhaufen. Das hat sicher etwas zu bedeuten. Vorne: Peter Moltzen, Foto: JR Berliner Ensemble

Man weiß bei den Romanen von Michel Houellebecq immer nicht, ob das jetzt mit Pornografie hochgetunter Kulturpessimismus oder vielleicht doch nur mit Kulturpessimismus veredelte Pornografie ist. Robert Borgmann entscheidet sich am Berliner Ensemble in seiner Adaption der 2005 erschienenen Houellebecq-Science-Fiction „Die Möglichkeit einer Insel“ für eine Kombination aus gefälligem Weltuntergangsszenario kurz vor dem Aussterben der Menschheit und dekorativem Bilderrätsel.

Houellebecqs Roman spielt auf zwei Zeitebenen. In der Gegenwart kultiviert ein zynischer Entertainer, leicht als Houellebecq-Double erkennbar, seinen Weltekel. Eine Sekte arbeitet an der Unsterblichkeit mittels einer Technik, Menschen zu klonen. Diese geklonten Neo-Menschen kommen nicht nur ohne Nahrung, Sex und Körperkontakt aus, sie werden auch von lästigen Gefühlen wie Liebe, Trauer, Schmerz oder Freude verschont. Auf einer zweiten Zeitebene in ferner Zukunft sind die Neo-Menschen-Klone nach einer ökologischen Katastrophe zu Monaden geworden, die sich am liebsten mit ihren eigenen Vorfahren, also den früheren Ausgaben der Klon-Reihe beschäftigen. Reste der Menschheit streifen als Horden von Wilden durch die zerstörte Landschaft.

Wolfang Michael macht in seinem Eingangsmonolog aus einem dieser Spätzeit-Klone eine Beckett-Figur mit weißer Perücke, ein depressiver Zombie, müde, illusionslos und hellsichtig wie sein Autor: „Im abnehmenden Licht sehe ich ohne Bedauern zu, wie die Menschheit verschwindet.“ Es ist die stärkste schauspielerische Leistung und die einzig markante Figur des Abends. Die weißen Wände, dünn und hell wie unbemalte Leinwände, fahren gerne hoch und runter, wie Augenlider, die sich öffnen und schließen. Manchmal finden auf ihnen melancholische Schattenspiele statt.  Eine riesige Blume mit obszön geöffneten Blütenkelchen dreht sich in meditativer Ruhe über den Köpfen der Schauspieler. Die Figuren werden zu Skulpturen der Leblosigkeit und verschwinden hinter Latexmasken. In der Ecke legt ein Erdhaufen. Das hat sicher etwas zu bedeuten.

Termine: Die Möglichkeit einer Insel im Berliner Ensemble Bertolt-Brecht-Platz 1, Mitte

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