Es gibt eine Form von gespreiztem Kunst-Priestertum, die leicht ins unfreiwillig Komische kippen kann. So ein Fall ist Romeo Castelluccis Weihespiel „Ödipus der Tyrann“ an der Schaubühne. Castellucci collagiert Hölderlins verrätselte Sophoklos-Übersetzung mit feierlich ausgestellten Genreszenen aus dem mittelalterlichen Klosterleben. Mit sorgfältig komponiertem Lichteinfall auf den Faltenwurf der Nonnen-Kostüme und zeremoniell verlangsamten Bewegungen werden die ganz alten Pathosformeln zelebriert. Leider ohne dass klar würde, was das christliche Klosterleben samt sterbender Nonne mit Sophokles’ antiker Tragödie zu tun hätte. Die wird in einer strahlend weißen Kapelle eher ausgestellt als gespielt. Originellerweise sind alle Figuren der Vatermord- und Inzest-Tragödie mit Darstellerinnen besetzt, wie um das Enigmatische der Veranstaltung noch etwas undurchdringlicher zu machen. Dazwischen zeigt ein Film, wie sich Castellucci, möglicherweise zwecks Einfühlung in all das Kloster- und Antike-Elend Tränengas ins Gesicht sprühen lässt. Aua!
Text: Peter Laudenbach
Foto: Arno Declair
Adresse und Termine: Schaubühne, Karten-Tel. 89 00 23