Schließlich wurde die Handlung vom 18. Jahrhundert in ein einigermaßen lächerliches Camp-Amerika versetzt. Ausgangspunkt ist die Entstehungszeit der 1951 uraufgeführten Oper: Ein Fake-Hollywood-Amerika der 1950er. Cowboyhüte, Hamburger, Zigaretten, Natalie Wood, James Dean, Elizabeth Taylor. Und dann kam Warhol und die von ihm wie Kunstschätze gesammelten Speedfreaks, Dragqueens und „Superstars“ der Factory-Welt, die späte Analogie zu jenen pittoresken Gestalten, die William Hogarths Kupferstiche aus den 1730ern bevölkern, der Inspirationsquelle von „The Rake’s Progress“.
Zitatelemente von Monteverdi bis Mozart dominieren Strawinskys in jener Phase eklektisch „neoklassische“ Musik, die man unter der musikalischen Leitung von Ingo Metzmacher in einer vorsichtigen, fast kammermusikalischen Auffassung zu hören bekommt. Und während sich das Bühnenbild vom Warhol-Camp-Amerika immer mehr in Jean Baudrillards Amerika mit Minnie Maus, Spiderman und Darth Vader verwandelt, dominiert die Aufführung dann doch ein starker, vor allem von den beiden Hauptpartien – Florian Hoffmann als Tom Rakewell und noch mehr Anna Prohaska als dessen Verlobte Anne Trulove – getragener Lyrismus, der sich um Camp-Dämonen wenig kümmert.
Text: Andreas Hahn
Foto: Ruth Walt
tip-Bewertung: Annehmbar
The Rake’s Progress
Staatsoper im Schillertheater,
Do 23.12., 19.30 Uhr; Sa 25.12., 18.30 Uhr; Mi 29.12., 20 Uhr