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Diskurs-Pop

René Polleschs „Black Maria“ in den DT-Kammerspielen

René Pollesch interessiert sich für den Stummfilm und reist auf der Suche nach Gold nach Alaska und in die „Black Maria“

Foto: Arno Declair

Diskurs-Pop Jeder neuen Pollesch-Produktion begegnet man nach all den Jahren mit Polleschs Kunst wie einem alten Bekannten. So auch „Black Maria“, seinem neuen Werk am Deutschen Theater. Natürlich variiert Pollesch seine alten Themen von Gender und Heteronormativität bis Regiemachtmissbrauch, von Bildproduktion bis Pop als Gegengift zur Ideologie des Authentischen – aber er macht das so lässig und lustig, dass keinen Augenblick das Gefühl von Routine oder Resteverwertung alter Ideen aufkommt. Die Bühnen- und Kostümbildnerin Nina von Mechow beschert den Spielern irre Bigger-than-Life-Glamour-Kostüme aus dem Stil-Fundus bester Hollywood-Ausstattungskünste – vom eleganten, eng anliegenden, mit glitzenden Blumen verzierten Vamp-Dress, einem Kleid wie einer Waffe, bis zum rustikalen Trapper-Outfit.

Auf die eigentlich viel zu kleine Bühne der DT-Kammerspiele hat sie ein verwinkeltes, fensterloses Haus mit aufklappbarem Dach und nietenverzierten Außenwänden aus Teerpappe gesetzt. Aber es ist natürlich kein Haus, sondern das erste Filmstudio der Welt, genannt „Black Maria“, in dem 1893 mit (kurzen) Filmen die dominierende Kunst des 20.Jahrhunderts ihre Anfänge nahm. Also stolpern die vier bestens aufgelegten Spieler Astrid Meyerfeldt, Katrin Wichmann, Franz Beil und Benjamin Lillie mit ihren hochbeschleunigten Gedanken und weiß geschminkten Stummfilmgesichtern durch die Film-Frühgeschichte, zeigen in gespielten Witzen, was ein Anschlussfehler ist, und sind gleich mittendrin im Frageknäuel von Sichtbarkeit und Bilderproduktion. Astrid Meyerfeldt, die große Herbe, die der alten Volksbühne ihre rare Mischung aus schauspielerischer Rabiatheit, trockenster Komik und Momenten zarter Empfindsamkeit geschenkt hat, spielt einen Trapper, der nach Alaska aufbricht, um Gold zu suchen. Aber wenn Meyerfeldt Sätze wie aus alten Goldrausch-Filmen sagt, denkt man bei „Alaska“ zwangsläufig an Lou Reeds „It’s so cold in Alaska“, also an die Kälte der gesellschaftlichen Verhältnisse. Und bei dem Gold, das dieser Trapper sucht, denkt man natürlich an Liebe.
Katrin Wichmann sagt mit größter Glamour-Lässigkeit lauter Sätze, die man sofort mitschreiben und nie wieder vergessen will: „Ernsthaftigkeit ist doch die Tarnung der Trottel.“ Und genau gegen diese Trottelhaftigheit hilft am zuverlässigsten der Pollesch-Pop – und die Freude daran, dass wir eh immer nur spielen, zum Beispiel uns selbst.

Zu den vielen guten Witzen des Abends gehört der Gruß an die sanft entschlafene Postdramatik („Das Drama wurde durchdekliniert bis zur Weltlosigkeit“). Gelobt wird der Knacks in der Schüssel wie in der Seele: „Am Anfang war der Knacks“. Offenbar eine Hommage an Deleuze und seinen berühmten Knacks-Essay aus „Logique du sens“, angelehnt an F. Scott Fitzgerald, der den Begriff prägte. Dagegen verdient aus Polleschs Sicht Lars von Triers Depressions-Kitsch nur Spott – und den Vorschlag, über dessen „Melancholia“ statt Wagner-Klangteppichen einfach mal netten Lounge-Jazz zu legen.

Termine: Black Maria in den DT-Kammerspielen Schumannstraße 13a, Mitte, 23 – 30 €

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