Einmal in diesem langen, assoziationsreich verschlungenen, persönlichen Buch sitzt der Autor mit Robert Wilson im Restaurant Borchardt. „Do you know how Madeleine Renaud died on stage?“, fragt ihn Wilson, und dann macht er mitten im Borchardt vor, wie die große französische Schauspielerin zeigte, wie alles Leben aus ihr weicht. An diese Szene knüpft sein Gesprächspartner, der Theaterkritiker Rüdiger Schaper, Überlegungen zu Wilsons Kunst, gespeist aus genauer Anschauung und vielen Begegnungen: „Wenn man mit Robert Wilson spricht, dann tauchen all die Geister der Avantgarde und Tradition aus dem Nebel auf.“
Ähnlich tauchen in Schapers Buch „Spektakel“ die wichtigsten Regisseure des (Berliner) Welttheaters der letzten drei Jahrzehnte auf: Ob die frühen Jahre von Castorfs Volksbühne oder die Whisky-Nächte mit Heiner Müller in der BE-Kantine, ob die „Kirche der Angst“ des todkranken Christoph Schlingensief oder die Reise Roberto Ciullis in den Irak – Rüdiger Schaper, der Feuilletonchef des „Tagesspiegel“, war dabei. Er erzählt von seinen Jahrzehnten mit dem Theater wie von spannenden Abenteuern. Weil er das mit prinzipiellen Überlegungen, etwa zum Ursprung des Theaters oder zur Misere leerlaufender Stil-Spiele, verbindet, entsteht ein perspektivreiches Panorama – die Liebeserklärung an eine rätselhafte Kunst „von Schlingensief bis Aischylos“.
Text: Peter Laudenbach
Foto: Siedler
tip-Bewertung: empfehlenswert
Rüdiger Schaper: Spektakel. Sieder Verlag, 348 Seiten, 24,99 Euro