Im satingrünen Unterkleid fegt die junge Dame über die Bühne, das lockige Haar fliegt und mit ihm der ganz Körper. Prallt auf den Boden, steht mit ungebrochener Energie wieder auf. Raunt rätselhafte Sätze ins Mikrofon und visiert die Zuschauer mit intensivem Blick. In „Pigeonhole“ verkörpert Katharina Maschenka Horn einen vielschichtigen, wandelbaren Charakter – überraschend und unberechenbar, so will es die junge Choreografin. Ein Kurt-Weill-Song von 1929 vereint Klagen über Umweltverschmutzung mit Kapitalismuskritik und begleitet Horns furioses Tanzsolo.
Anklänge ans Politische habe er sich für die diesjährige Ausgabe der Tanztage gewünscht, sagt Kurator Peter Pleyer. Er hat bei Horn und bei anderen jungen Künstlern gefunden. Zum Beispiel bei der Choreografin und Performerin Kai Simon Stöger, die im Solo „Rödeln“ ihre persönliche Situation in einen weiteren Kunst- und Gesellschaftskontext setzt. Oder bei Verena Wilhelm, die in ihrem nur zehnminütigen Solo „Fire and Forget“ den Originalton des Kriegs mit dem eigenen Tanz verschränkt. Zu ihren Bewegungen lässt sie als akustischen Counterpart die Originalaufnahmen des US-Militärangriffs auf Zivilisten in Bagdad einspielen, mit dessen Veröffentlichung Wikileaks 2010 die Welt schockierte.
Tatsächlich werden die Jungen politisch nicht nur bewusster, sondern auch aktiver, stellt Peter Pleyer fest. Auch wenn der kritiklose Enthusiasmus, der den Tanztagen seit ihrem Bestehen alljährlich vorausgeht, nicht immer ganz nachvollziehbar war – die diesjährige Ausgabe in den frisch renovierten Sophiensaelen weckt Neugierde auf junge, wache Künstler, die weiter schwimmen als immer nur im eigenen Saft.
Text: Elisabeth Nehring
Foto: Jason Richter
Tanztage
in den Sophiensaelen,
5.–15.1.
Karten-Tel. 283 52 66
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