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Freie Szene

„The 2022 Expo Festival“: Leistungsschau von Berliner Künstler:innen aus aller Welt

Gleichzeitig lokal und international ist die interdisziplinäre Plattform „The Expo Festival“. Seit 2013 präsentiert das English Theatre Berlin alljährlich Showcases internationaler Künstler:innen, deren Wahlheimat Berlin ist. Das diesjährige Festival von Expat-Kunst aus Berlin wird am 15. Juni mit der Tanzperformance „Present Body 2“ von der Grupo Oito des aus Brasilien stammenden Choreografen Ricardo de Paula eröffnet.

Die Tanzperformance „Present Body 2“ von der Grupo Oito macht den Auftakt beim „The 2022 Expo Festival“. Foto: Tito Casal

The 2022 Expo Festival: Kreative Vielfalt und Qualität der internationalen Freien Szene Berlins zeigen

Ricardo de Paulas Grupo Oito ist in ihrer Zusammensetzung bereits selbst eine kleine UNO, die Mitglieder stammen aus Brasilien, Deutschland, Frankreich, Ghana, Österreich, Kongo, Spanien und den USA, alle mit Wohnsitz Berlin. Ihr aktuelles Stück „Present Body 2“ ist eine der zwölf aus rund 200 Bewerbungen ausgewählten Produktionen, die das „Expo 2022 Festival“ präsentiert, sechs davon werden auf der dazugehörenden Newcomer-Plattform „ExpLoRE“ als Work-in-Progress gezeigt.

Das dreiköpfige Kuratorenteam um Daniel Brunet, dem künstlerischen Leiter des English Theatre Berlin, legt in der Auswahl besonderen Wert darauf, die Diversität der Berliner Freien Szene nicht nur in den kulturellen Hintergründen der Protagonisten, sondern auch in den Genres, aktuellen Themen und Arbeitsweisen zu spiegeln. Brunet sagt: „Die postmigrantische und internationale Realität Berlins und die kreative Vielfalt und künstlerische Qualität der Freien Szene zu reflektieren, ist unser Ziel und Auftrag. Deshalb ist auch das Kuratorenteam spartenübergreifend besetzt.“

Neben Brunet gehören seit diesem Jahr neu die Regisseurin Christin Eckart und die interdisziplinär arbeitende, bolivianische Künstlerin Maque Pereyra zum Auswahlteam. Die eingeladen Produktionen reichen von Tanz, Theater und Performance bis hin zu Neuem Circus und alles gern auch interdisziplinär miteinander verzahnt.

Inszenierungen stammen von rund 100 Berliner Kunstschaffenden aus 30 Ländern

Rund 100 Berliner Kunstschaffende aus 30 Ländern seien an den Produktionen beteiligt. „Obwohl wir keine Themen vorgeben oder suchen“, sagt Brunet, „beschäftigen sich auffallend viele Arbeiten mit dem Thema Indigenes Erbe und Dekolonialisierung, darunter unser Eröffnungsstück von der Grupo Oito oder die dekoloniale Materialperformance ,Coffee With Sugar?‘ von Laia RiCa aus El Salvador. Das Thema scheint also besonders virulent zu sein.“

Oitos „Present Body 2“ ist keine feststehende Choreografie, sondern entsteht immer wieder neu aus der Improvisation der Tanzenden aus Afrika, Amerika und Europa miteinander. Dabei werden die sozialen Strukturen, Bindungen und Erfahrungen, die in die Körper kulturell eingeschrieben sind, zum kollektiven Spiel- und Bewegungsangebot. Ein sinnlicher Austausch von Verbindungen und Möglichkeiten in ständiger Bewegung zur Überwindung kolonialer Hypotheken.

Auch Caroline Alves geht es in ihrer Tanzperformance „Transatlantica“ um eine Aufarbeitung kolonialer Denkmuster. Die Brasilianerin nimmt dabei ihre eigene Familiengeschichte zur Vorlage, in der es sowohl koloniale Siedlervorfahren gibt wie auch indigene. Sie geht auf die Spurensuche nach ihrer Ur-Ur-Großmutter, deren indigene Identität völlig ausgelöscht ist. Selbst ihr eigentlicher Name, überliefert ist nur noch ihr kolonialer Name, Alves nennt sie deshalb „Senhorinha“.

Die interaktive Performance „Hidden Path“ von Ulv and Ugle nutzt auch Mittel des Neuen Circus. Foto: Knut Utler

Um indigenes Erbe geht es ebenfalls in „Hidden Path“ von Ulv & Ugle. Gruppengründerin Camilla Therese Karlsen ist Sami und untersucht mit einer Kombination aus zeitgenössischem Tanz und Circus, Poesie und samischer Joik-Musik den norwegischen Assimilierungsprozess ihres Volkes, der mit Minderwertigkeitsgefühlen, Verleugnung und endlich neuerwachtem Selbstbewusstsein zu tun hat.

Was ein Latte Macchiato mit der Kolonialzeit zu tun hat, zeigt Laia Rica aus El Salvador

Die deutsche Einwanderergeschichte in Mittelamerika verhandelt die interdisziplinär arbeitende Performerin Laia RiCa, geboren in El Salvador, in „Coffee with Sugar?“. Sie vermengt autobiografisches und historisches Material, Videoprojektionen, Kaffeebohnen und eine Unmenge von Zuckerwatte zu einem spannenden Dokumentartheater, das auch aufzeigt, was unser heutiges urbanes Lebensgefühl mit der Kolonialzeit verbindet.

Weitere Themen der beim Festival gezeigten Stücke sind queere und Gender-Identität („History Has Failed Us, But…“, 17.6., 20 Uhr, „Second Class Queer“, 19.6., 21 Uhr), Klimawandel („Fauna Futura“, 20.6., 20 Uhr) und der politische Zustand der Welt, fokussiert in einer wahnwitzigen Talkshow („The Panel“ von Aba Naia, 23.6., 20 Uhr). Bis zum 25. Juli gibt es hier also einiges von Berliner Künstler:innen aus aller Welt zu entdecken.

  • English Theatre Berlin Fidicinstr. 40, Kreuzberg, 15.-25.6., 20 Uhr, 23.6. ab 18 Uhr, 10–16 €, Website

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