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Theaterwettbewerb

Theatertreffen 2020: Die Berliner Festspiele trösten uns mit kostenlosen Streams

Das Theatertreffen 2020 fällt analog aus, zum ersten Mal in seiner Geschichte. Doch der wichtige Wettbewerb der deutschsprachigen Theater findet teilweise online statt – immerhin. Aufzeichnungen von sechs der zehn eingeladenen Inszenierungen werden vom 1. bis 9. Mai bei den Berliner Festspielen im Stream zu sehen sein. Gute Pointe: Wo es normalerweise fast aussichtslos ist, Karten für den Wettbewerb zu ergattern, ist das virtuelle Theatertreffen nun kostenlos verfügbar.

Rundherum gibt es ein digitales Diskussionsprogramm. Normalerweise flankieren die Formate „Stückemarkt“ und „Internationales Forum“ den Wettbewerb. Beides findet beim Theatertreffen 2020 nicht statt. Die ausgewählten Künstler*innen werden im kommenden Jahr erneut eingeladen – wenn es hoffentlich wieder ein reguläres Theatertreffen mit echter Bühnenpräsenz gibt.

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Theatertreffen 2020: Der Spielplan mit sechs von zehn Inszenierungen im Stream

Die Aufzeichnungen der eingeladenen Stücke vom Theatertreffen 2020 sind im On-Demand-Programm der Berliner Festspiele abrufbar. Sie sind jeweils ab 20 Uhr online und dann für 24 Stunden verfügbar. Von den zehn zum Theatertreffen eingeladenen Inszenierungen sind die folgenden sechs online zu sehen.

1.5.: Hamlet

Theatertreffen 2020: Sandra Hüller in "Hamlet". Foto: JU Bochum
Theatertreffen 2020: Sandra Hüller in „Hamlet“. Foto: JU Bochum

Der grüblerische, Sinn suchende Dänenprinz Hamlet beschäftigt so viele Regisseure wie sonst kaum ein Bühnencharakter. „Meiner Meinung nach ist Hamlet extrem empfindlich und kompromisslos, er erträgt keine falschen Fassaden. Das zerstört ihn“, sagt Regisseur Johan Simons über die Titelfigur aus dem Shakespeare-Drama. In der Rolle des Hamlet ist Sandra Hüller zu sehen. Intuitiv denkt man, was für eine gute Wahl. Sie erhält auch den Theaterpreis der Stiftung Preußische Seehandlung. Die öffentliche Verleihung findet voraussichtlich erst beim Theatertreffen 2021 statt.

„Hamlet“ von William Shakespeare mit Auszügen aus „Die Hamletmaschine“ von Heiner Müller, Regie: Johan Simons, Schauspielhaus Bochum


2.5.: Anatomie eines Suizids

Julia Wieninger, Gala Othero Winter und Sandra Gerling in "Anatomie eines Suizids". Die Hamburger Inszenierung ist zum Theatertreffen 2020 eingeladen. Foto: Stephen Cumminsky
Julia Wieninger, Gala Othero Winter und Sandra Gerling in „Anatomie eines Suizids“. Die Hamburger Inszenierung ist zum Theatertreffen 2020 eingeladen. Foto: Stephen Cumminsky

Mit schmerzhafter Präzision erfasst Alice Birch in „Anatomie eines Suizids“, wie sich Depressionen und Angst vor dem Leben anfühlen. Drei Generationen von Frauen erkunden Stück für Stück die Kette von Ereignissen, die zum titelgebenden Selbstmordversuch führte. Der Abend erfordert nicht nur wegen des niederschmetternden Themas höchste Konzentration: Drei Stimmen nebeneinander, mit immer wiederkehrenden Motiven: die „Anatomie eines Suizids“ der britischen Regisseurin Katie Mitchell erinnert an eine Komposition.

„Anatomie eines Suizids“ von Alice Birch, Regie: Katie Mitchell, Deutsches Schauspielhaus Hamburg


3.5.: Die Kränkungen der Menschheit

Das Ensemble im Stück "Die Kränkungen der Menschheit". Vor den Corona-Absagen war der Abend noch im HAU zu sehen. Foto: Gabriela Neeb

Das Ensemble im Stück „Die Kränkungen der Menschheit“. Vor den Corona-Absagen war der Abend noch im HAU zu sehen. Foto: Gabriela Neeb

Das Prinzip Museum, ja die ganze Kunstgeschichte, steht unter Verdacht, ausschließlich eurozentristisch zu sein. Anta Helena Recke räumt in ihrer Arbeit „Die Kränkungen der Menschheit“ in einer Art Rundumschlag mit der europäischen Selbstbespiegelung auf. Der Titel geht auf Überlegungen von Sigmund Freud zurück. Der konstatierte, dass die Menschheit vieles nicht verkraftet hat: die Erkenntnisse, nicht der Mittelpunkt des Universums zu sein, vom Affen abzustammen und wegen unterbewusster Prozesse nicht einmal das eigene Denken unter Kontrolle zu haben.

Vorhang auf für Kränkung vier: Die Menschheit ist nicht nur weiß und männlich. Reckes Stück handelt dabei von Beyoncé bis Männerrechtsgruppen das ganze Spektrum von Identitätskonflikten ab.

„Die Kränkungen der Menschheit“ von Anta Helena Recke, Münchner Kammerspiele in Koproduktion mit HAU Hebbel am Ufer, Kampnagel – Internationales Zentrum für schönere Künste (Hamburg) und Künstlerhaus Mousonturm (Frankfurt)


5.5.: Süßer Vogel Jugend

Theatertreffen 2020: Der "Süße Vogel Jugend" ist blass, bessere Zeiten nur noch Erinnerung. Foto: Rolf Arnold
Theatertreffen 2020: Der „Süße Vogel Jugend“ ist blass, bessere Zeiten nur noch Erinnerung. Foto: Rolf Arnold

Alexandra del Lago weiß, dass in einer durch und durch brutalen Welt nur die „Oberbestie unter Kannibalen“ wirklich bestehen kann. Aktuell ist sie, alternder Hollywood-Star und obendrein tablettensüchtig, Liebhaberin des Verführers und Aufschneiders Chance Wayne. Dieser kehrt nach St. Cloud, Florida, zurück, die Stadt seiner Heimat. Tennessee Williams zeichnet diesen Ort als Inbegriff gesellschaftlicher Brutalität. Die Figuren sind narzisstisch und ohne Empathie, und auch die Politik driftet ab in Zynismus und Rassismus.

„Süßer Vogel Jugend“ von Tennessee Williams, Regie: Claudia Bauer, Schauspiel Leipzig


6.5.: Chinchilla Arschloch, waswas

„Chinchilla Arschloch, waswas“: Die Inszenierung des Schauspiels Frankfurt ist zum Theatertreffen 2020 eingeladen. Foto: Robert Schittko

Eine Reise mit dem VW-Bus nach Berlin, das soll die langen Jahre der Isolation beeenden. Denn Christian meidet die Öffentlichkeit eigentlich wegen seiner unkontrollierbaren sprachlichen und motorischen Ausrutscher. Es ist die Grundlage dieses Abends, denn die Performer*innen, die Helgard Haug vom Rimini Protokoll versammelt hat, haben allesamt das Tourette-Syndrom. Zu Musik von Barbara Morgenstern erproben sie, ob das Theater dem gewachsen ist. Hält es Äußerungen ohne Absicht aus? Verkraftet es Tics und Kontrollverlust? Ist es gar ein Raum, der Schutz bietet?

„Chinchilla Arschloch, waswas. Nachrichten aus dem Zwischenhirn“ von Helgard Haug (Rimini Protokoll), Schauspiel Frankfurt, Künstlerhaus Mousonturm (Frankfurt), Koproduktion mit WDR und HAU Hebbel am Ufer


8.5.: The Vacuum Cleaner

„Hikikomori“ nennt man sie in Japan: Menschen, die sich vollständig aus der Gesellschaft zurückgezogen haben. Kein Sex, keine Kontakte, kein Weg nach draußen. Rund eine Million von ihnen soll es geben, vornehmlich junge Männer. Toshiki Okada, einer der renommiertesten japanischen Theatermacher, inszeniert das Schicksal dieser Menschen in dem Raum, den sie selbst gewählt haben: das abgeschlossene Zuhause. Nur die Geräusche von Staubsaugern dringen durch die dünnen Wände, ansonsten herrscht Isolation vor.

„The Vacuum Cleaner“ von Toshiki Okada, Regie: Toshiki Okada, Münchner Kammerspiele


Nicht gezeigt werden diese vier weiteren eingeladenen Inszenierungen:

  • „Der Menschenfeind“ von Molière, Regie: Anne Lenk, Deutsches Theater Berlin
  • „Der Mensch erscheint im Holozän“ nach Max Frisch, Regie: Alexander Giesche, Schauspielhaus Zürich
  • „Eine göttliche Komödie. Dante < > Pasolini“ von Federico Bellini, Regie: Antonio Latella, Residenztheater (Intendanz Martin Kušej)
  • „TANZ. Eine sylphidische Träumerei in Stunts“ von Florentina Holzinger, Tanzquartier Wien, Sophiensaele Berlin, SPRING Utrecht (Utrecht), Productiehuis Theater Rotterdam, Künstlerhaus Mousonturm (Frankfurt), Arsenic – Centre d’art scénique contemporain, Münchner Kammerspiele, Take Me Somewhere (Glasgow), Beursschouwburg, deSingel Internationale Kunstcampus (Antwerpen), Frascati (Amsterdam), Theater im Pumpenhaus Münster, asphalt-festival (Düsseldorf)

Gespräche, Diskussionen und Themen-Specials beim Theatertreffen 2020


Das virtuelle Theatertreffen 2020 lädt ein zum Austausch über Corona, die Bühnensituation allgemein und Theaterformen im Internet. Unter dem Titel „UnBoxing Stages“ geht es um digitale Praxis, auch über die aktuelle Situation hinausgehend. Die Podiumsdiskussionen finden am 2., 3. und 4. Mai statt.


Die Choreografin Florentina Holzinger diskutiert am 5. Mai unter dem Titel „Körperliche Praxis und Digitalität“ mit den Performerinnen Renée Copraij und Beatrice Cordua.


Die „Lange Nacht der Tutorials“ am 7. Mai bietet Einblicke in praktische Fragen des Online-Theaters, vom Livestream bis zu Möglichkeiten der digitalen Partizipation.



Zum Abschluss des Theatertreffens 2020 diskutiert die Jury, bestehend aus Margarete Affenzeller, Cornelia Fiedler, Wolfgang Höbel, Georg Kasch, Andreas Klaeui, Shirin Sojitrawalla und Franz Wille, die diesjährige Auswahl der Stücke.

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