Trotz vorzüglicher Sänger kann der renommierte Opernregisseur Claus Guth mit seiner Inszenierung von Benjamin Brittens „Turn of the Screw“ nur wenig vom Zauber dieser zweideutigen Gruselgeschichte hervorrufen. Eine englische Erzieherin glaubt im Haus ihres Arbeitgebers die ihrer Obhut anvertrauten Kinder bedroht. Der Horror ist subkutan. Den noblen Gründerzeitluxus von Bühnenbildner Christian Schmidt jedoch, in dem ein rot tapeziertes Wohnlabyrinth um die eigene Achse kreiselt, durchweht wenig mehr als ein sanfter Ennui.
Schade, denn derweil wird ausgezeichnet, zum Teil überragend schön gesungen. Emma Bell (Governess) träufelt ihren Sirenenton wie heißes Wachs in unsere Ohren. Thomas Lichtenecker als Kind Miles verfügt über einen betörenden Countertenor, kaum festlegbar zwischen Knabensopran und Mezzo. Großartig! Marie McLaughlin (Mrs Grose), früher eine bekannte Mozart-Sängerin, könnte die Hauptrolle gleich noch mitsingen.
Wer den Abend zum Kippen bringt, ist überraschenderweise Ivor Bolton. Es gelingt dem britischen Dirigenten nicht, das Numinose, Sinistre, Zwielichtige der Partitur herauszuarbeiten. Vielleicht liegt’s auch daran, dass eine Produktion nicht besser sein kann als der Zustand des Hauses, in dem sie stattfindet? An der Staatsoper hat dieser „Turn of the Screw“ keinerlei Vorgeschichte, keine Aussicht auf Fortsetzung und kein erkennbares Anliegen. Er ist nur eine billig zu realisierende Kammeroper. Ein zäher Drehwurm ohne Schwindeleffekt.
Text: Kai Luehrs-Kaiser
Foto: Monika Rittershaus
Turn of the Screw an der Staatsoper Berlin im Schiller Theater, ?So 30.11., Fr 5.12., 19.30 Uhr, ?Karten-Tel. 20 35 45 55