Für die Aktualität von Dieter Schnebels Komposition „Glossolalie 61“ hat Margarete Zander einen schlagenden Beweis. Als sie diesen Klassiker der experimentellen Musik neulich in einer Radiosendung spielte, erzählt die Leiterin des Ultraschall-Festivals, habe der Tontechniker, der ansonsten zeitgenössischer Musik eher gleichmütig gegenüberstand, das Stück hinterher unbedingt für seinen MP3-Player haben wollen. „Auch wenn es heute nichts Besonderes mehr ist, wenn ein Besteckkasten ins Klavier gekippt wird, klingt das Stück heute noch immer so aufregend wie früher“, schwärmt Zander. „Wie bei den Stücken für präpariertes Klavier von John Cage spürt man hier einfach den Entdeckergeist und die Originalität.“
Das knapp dreiviertelstündige Anarcho-Musiktheater, mit dem der Berliner Komponist Anfang der 60er Jahre den Übergang vom Gesang zur sprachartigen Lautartikulation probte, steht im Zentrum des Eröffnungskonzerts des Neue-Musik-Festivals Ultraschall, das den 80. Geburtstag des immer noch agilen Doyens der Berliner Avantgarde feiert. Fast die Hälfte der 19 Konzerte, die das Festival für Gegenwartsmusik bei seinem zwölften Durchgang aufbietet, sind einzelnen Komponisten gewidmet. Neben den Rundumschauen, die Werke der letzten 40 Jahre auf Repertoiretauglichkeit überprüfen oder Zwischenbilanzen des U-Musik-Schaffens verschiedener Länder bieten (diesmal England und Spanien), hebt Ultraschall einige Komponisten explizit hervor. Der ebenfalls 1930 geborene Komponist Paul-Heinz Dittrich ist mit seinen introvertierten Kammermusiken dabei, aber auch der in Berlin lebende Josй-Marнa Sбnchez-Verdъ, der derzeit prominenteste spanische Komponist der Generation 40 plus, dessen 2009 entstandenes Musiktheaterstück „Aura“ für zwei Abende in der Volksbühne gezeigt wird.
Text: Jörg Königsdorf
Foto: Boulanger Trio
Ultraschall Festival
im Radialsystem V, Sophiensaele, Volksbühne, Haus des Rundfunks,
Fr 22. bis So 31.1.