Ich bin ein Roboter: Stefan Kaegi von Rimini Protokoll verdoppelt Thomas Melle mit einer Maschine
Rimini-Protokoll waren schon immer gut darin, das theatralische Potential von Nicht-Schauspielern zu entdecken, die dann als Zitate ihrer selbst das Bühnengeschehen bereichern durften. In „Uncanny Valley“ ist der Experte des Alltags wie des eigenen Lebens seinerseits ein Profi der Selbst- und Weltbeobachtung, der Schriftsteller Thomas Melle. Allerdings steht er nicht alleine auf der Bühne: Rimini-Regisseur Stefan Kaegi doubelt ihn mit einem täuschend echten Melle-Roboter, der mit Melle-Mimik und Melle-Motorik Melle-Sätze von sich gibt. Was nicht nur wegen der frappierenden Ähnlichkeit irritierend ist, sondern auch weil Melle in seinen Texten („Die Welt im Rücken“) den krankheitsbedingten Ich-Zerfall, das zeitweilige Aussetzen seelischer Kohärenz und der Kontrolle über das eigene Leben beschreibt.
Das Entgleiten der eigenen, sich selbst fremd und unheimlich gewordenen Person wird sozusagen durch den Roboter-Doppelgänger fortgesetzt, bis die Behauptung eines Ichs, eines selbst-bewussten Subjekts, einer halbwegs souveränen, einmaligen Person nur noch kontigent und konstruiert wirkt. Was natürlich jede Menge interessanter Fragen aufwirft: Wer spricht, wenn der Roboter Melle-Sätze abruft? Kann man die Mühe, eine Person darstellen zu müssen, an einen auf Sozialverträglichkeit programmierten Roboter delegieren (was in vielen Situationen vermutlich für alle Beteiligten eine große Erleichterung wäre)? Sind Roboter vielleicht nicht die besseren Menschen, aber zumindest die pflegeleichteren Subjekt-Darsteller? Und in wie viele Personen, Maschinen, Ich-Behauptungen kann man sich eigentlich aufspalten? Und war es das, was Heiner Müller meinte, als er von der bevorstehenden „Hochzeit von Mensch und Maschine“ sprach, was ja nicht nur Heirat und Verschmelzung, sondern auch eine Zeit auf höchstem Niveau bedeuten kann?
Haus der Berliner Festspiele Schaperstr. 24, Wilmersdorf, bis 17.3.