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Berliner Köche

Vadim Otto Ursus ist vielleicht der spannendste junge Koch der Stadt

Der Wissens­hungrige: Nach Wanderjahren, vor allem durch Skandinavien, und regelmäßigen Pop­ups folgt nun das eigene Restaurant – vier Wochen lang wird der gebürtige Berliner das Mrs Robinson’s in der Pappelallee bespielen. Die Zutaten dafür gären bereits in einem Keller in der Schorfheide

Was gärt denn da? Vadim Otto Ursus (27) in seiner Laborküche in der Schorfheide. Foto: Vadim Henselder

tip Vadim Otto Ursus, jetzt sitzen wir hier beim Abendbrot, um uns auf Ihr Restaurant einzustimmen: das Otto, ein monatiges Kitchen Takeover des Mrs Robinson’s in der Pappelallee. Gibt es dort dann also Brot, Butter, ein Solei und eingelegte Gemüse?
Vadim Otto Ursus Durchaus. Mindestens als Starter, zum Ankommen. Meine Generation kennt ein Solei ja sowieso nur noch aus Erzählungen und weiß schon gar nicht, was ein gutes Solei ausmacht. Ich koche es nur sieben Minuten, etwa so lange wie ein wachsweiches Frühstücksei, und lasse es dann in einem selbst angesetzten Essig aus Naturweinen nachreifen. Wenn man darauf achtet, dass es richtig gesalzen, dass es richtig gekocht ist, kann so was Einfaches wie ein Solei etwas sehr Wertvolles sein.

tip Klingt da jetzt auch eine Kritik an einer technologisch aufgerüsteten Küche durch? Überall war es am Dampfen und Rauchen, dort ein Schäumchen, da ein Pulver, jeder Koch hatte eine Pinzette in die Schürze gesteckt.
Vadim Otto Ursus Und ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, als ich diese bescheuerte Pinzette weggeschmissen habe – und diese ganze Oberflächlichkeit des Anrichtens. Ich glaube aber dennoch, dass das ein sehr wichtiger Schritt gewesen ist, eine wichtige Epoche. Das ist wie mit dem Elternhaus, von dem man sich ja auch ganz unbedingt einmal entfernen muss, um dann auch wieder zurückzukommen. Was meine Küche angeht, würde ich sogar ganz explizit sagen, dass sie schon schon auch auf Technologien fußt. Ich habe draußen in der Schorfheide meine Laborküche, in der jetzt in diesem Moment etwa mein Saiblings-Koji unter exakten Bedingungen gart.

tip Saiblings-Koji?
Vadim Otto Ursus Im Endeffekt funktioniert das wie diese asiatischen Fischsaucen.Die Karkassen, die Haut und alle Reste der Fische werden mit Koji-Salz und Wasser zwei Monate bei konstant 40 Grad gelagert, dann spalten sich die Proteine. Das ist das, was wir als umami, als lecker wahrnehmen. Sie müssen, wenn Sie regional arbeiten wollen, also nicht auf die Würzigkeit einer Anchovie verzichten – nehmen Sie einen Saibling.

tip „Lecker“ scheint überhaupt ein wichtiger Begriff Ihrer Küche zu sein.
Vadim Otto Ursus Als Kind war es für mich das Größte, mal zu McDonalds zu gehen, ich habe mir die wildesten Sachen ausgedacht, nur damit ich das durfte. Bei meiner Mutter war immer alles Bioladen, immer alles vegetarisch. Wir leben aber in einer Gesellschaft, die sich noch immer zu großen Teilen sehr sehr schlecht und sehr sehr billig ernährt. Und ich finde es als Koch schon auch wichtig, dass man weiß, wie so etwas schmeckt. Aber nein, lecker finde ich das heute nicht mehr.

tip Ist das ein Ekel gegenüber dem Geschmack oder gegenüber der Ethik einer Ernährung, die per se auf Kosten der Natur, der Tiere und auch der Menschen geht?
Vadim Otto Ursus Das lässt sich ja beides nicht trennen. Wobei mir schon auch bewusst ist, dass wir das Schmecken vielleicht erst wieder lernen müssen. Dass die Lebensmittel endlich eine gescheite Wertschätzung brauchen. Hierzulande ist es tief verankert, dass man richtig billig einkauft. Geld gibt man für Autos aus, für Uhren, für Sneakers, für Sachen, die direkt gesehen werden.

tip Sie haben nicht einmal einen Führerschein.
Vadim Otto Ursus Was sich ändern muss, schon wegen meiner Laborküche in der Schorfheide. Aber um auf den Kern der Frage zu kommen: Ich glaube schon, dass da eine neue Generation, meine Generation, andere Statussymbole haben wird und die Dinge anders wertschätzt.

tip Stichwort: Sharing is Caring?
Vadim Otto Ursus Unbedingt. Gut essen gehen heißt für mich, einen tollen Abend mit seinen Leuten zu haben. Dass man so zehn, 15 Gänge lang immer wieder einen kleinen Happen vor sich hat, damit kann ich nicht mehr wirklich viel anfangen.

tip Wird die Karotte der neue Steinbutt?
Vadim Otto Ursus Wenn die Karotte aus dem Wasserbad und vom Großmarkt kommt, kann ich total verstehen, dass sie nie der Star der Show werden wird. Aber wenn ich die Liebe, die ich sonst in ein geschmortes Stück Fleisch stecke, ins Gemüse stecke, dann kann Großes entstehen. Aber, na klar, da sind wir auch in dieser Blase namens Berlin und selbst hier geht mir die Entwicklung nicht schnell genug.

tip Also: Warum sind Sie nach Ihrer Ausbildung bei Neugrüns Köche in Prenzlauer Berg raus aus Berlin? Und warum waren Sie drei Jahre später dann bereit hier zu bleiben?
Vadim Otto Ursus Ich habe die Stadt quasi am Tag nach meiner Ausbildung verlassen. Damals gab es noch kein Nobelhart, damals gab es noch kein Ernst. Damals, 2014, hat man auch auf Partys keine Leute getroffen die schon mal im Noma waren oder im Fäviken oder die zu Hause ihre Sauerteigkulturen gepflegt haben. Als ich zurückgekommen bin, war der Gedanke ganz klar: Das, was ich auf den Faröern, in Norwegen oder in Mexiko kennengelernt habe, wollte ich auf meine direkte Umgebung anwenden.

tip In Mexiko haben Sie ein halbes Jahr lang beim dortigen Gastspiel von René Redzepis Restaurant Noma gekocht.
Vadim Otto Ursus Und ich könnte neben all den bereichernden Erfahrungen auch von Arbeitsbedingungen reden, die schon sehr pushy waren. Tatsächlich habe ich aber gerade diesbezüglich das Gefühl, dass die Branche in einem Umbruch ist. Als wir jetzt hier das Otto geplant haben, war für mich jedenfalls das Wichtigste: einen Ort zu schaffen, mit dem sich die Mitarbeiter und auch die Lieferanten identifizieren können.

tip Warum sind Sie Koch geworden?
Vadim Otto Ursus Sicher nicht, weil ich gedacht habe: Geil, jetzt werde ich den Rest meines Lebens in der Küche stehen. Ich wollte einfach nur alles über das Essen wissen. Obwohl … vielleicht mache ich das ja auch mein ganzes Leben lang.

Otto Pappelalle 29, Prenzlauer Berg, Do 14.2.–Mo 11.3, jeweils Do–Mo ab 18.30 Uhr. Im Gegensatz zu den Popup-Dinnern im vergangenen Jahr werden die Speisen á la carte bestellt. Um die Weine, ausschließlich von kleinen deutschen Betrieben, kümmert sich Naturwein­experte Jan Hugel. www.otto-berlin.net

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