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Kunstjahr 2020

Kunst in Berlin 2020: Ein Jahr mit extremen Höhen und abgeflachten Tiefen

Im Pandemiejahr 2020 erweist sich die Kunststadt Berlin resilienter und stabiler, als ihr Ruf suggeriert. Das hat gute Gründe. tipBerlin-Kunstredakteurin Claudia Wahjudi blickt auf ein ereignisreiches Jahr 2020 in der Kunst zurück.

Berlin Art Week 2020: Publikum von Marc Bauers Ausstellung in der Berlinischen Galerie. Foto: Carolin Weinkopf
Berlin Art Week 2020: Publikum von Marc Bauers Ausstellung in der Berlinischen Galerie. Foto: Carolin Weinkopf

2020 erhielt Berlin neue Häuser für Kunst

Bevor auch dieser Text von Corona überschattet wird: Die Kunststadt Berlin ist 2020 trotz Pandemie in Bewegung geblieben – und das produktiv. Zum Beispiel erhält sie neue Häuser. Am Matthäikirchplatz haben vorbereitende Bauarbeiten für das Museum der Moderne begonnen, den Wettbewerb für das Exilmuseum am Anhalter Bahnhof hat die Kopenhagener Architektin Dorte Mandrup gewonnen. Die Friedrichswerdersche Kirche ist endlich repariert, und am 16. Dezember hat die Hülle des umstrittenen Humboldt Forums digital eröffnet.

Zugleich verliert die Stadt Kunsträume. Die Rieck-Hallen des Hamburger Bahnhofs werden wohl abgerissen. Geschlossen sind MeCollectors Room, Kunstsaele, die Galerie C&K und – nicht zuletzt unter dem Druck der Immobilienpreise – viele Ateliers.  

Kunst in Berlin 2020: Personalwechsel allerorten

Und dann die Personalwechsel. Udo Kittelmann verließ die Nationalgalerie, Kristoffer Gansing das Medienkulturfestival Transmediale und Andreas Fiedler das Neuköllner Kindl-Zentrum. Mit Nora O Murchú bei der Transmediale, Kathrin Becker im Kindl und Hetty Berg am Jüdischen Museum rückten Leiterinnen nach.

Die Nationalgalerie aber wird nun von einem Trio aus den Chef*innen ihrer drei zentralen Museen geführt: von Ralph Gleis, Joachim Jäger und Gabriele Knapstein. Damit antwortet die zuständige Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf die Empfehlung des Wissenschaftsrats, die Häuser unter ihrem Dach zu verselbstständigen.

Ein Höhepunkt der Kunst in Berlin 2020: Katharina Grosses bunte Transformation des Hamburger Bahnhofs. Foto: tipBerlin / Sebastian Scherer
Ein Höhepunkt der Kunst in Berlin 2020: Katharina Grosses bunte Transformation des Hamburger Bahnhofs. Foto: tipBerlin/Sebastian Scherer

Dynamisch ging es auch in den Ausstellungen zu, etwa in der neuen multimedialen Dauerschau des Jüdischen Museums und bei Katharina Grosses Malerei, die Haus und Hof des Hamburger Bahnhofs umfasst. Die Alte Nationalgalerie zeigte mit „Dekadenz und dunkle Träume“ in der Kunstgeschichte, was jetzt im Zeitgenössischen zurückkehrt: den Hang zu Esoterik. Zudem bewegten Kolonialismus (wie bei Savvy), Gender (wie im Gropius Bau), deutsche Einheit (etwa bei C/O Berlin), Klima (etwa Berliner Festspiele) und der Lockdown (so bei KOW) die Gemüter.

Den Kunstbetrieb 2020 zu gewährleisten, war eine große logistische Leistung

Der Ausstellungskalender jedoch ist seit den Schließungen im Frühjahr durcheinander,  wie sich auch im Herbst zeigte: in dem einmaligen Zusammenspiel von Berlin Biennale, Gallery Weekend, Kunstmesse, Berlin Art Week und Europäischem Monat der Fotografie. Wahrnehmen ließ sich zwar nur ein Bruchteil, auch wegen der strikt begrenzten Ticketvergabe. Doch Künstler*innen konnten Honorare erhalten, Ausstellungsmacher*innen einen Teil ihres Programmstaus auflösen.

Diese logistische Leistung verdankte sich einer professionalisierten Infrastruktur, gepflegt von Netzwerken, Verbänden und der Kulturprojekte Berlin GmbH. Schwierig wurde und wird es dort, wo der Bund beteiligt ist, wie bei der schleppenden Wiedereröffnung der Staatlichen Museen ab Mai und bei der Unterstützung für Kulturschaffende. Nur dank des Drucks von Verbänden wurden die Bundeshilfen erweitert, wenn auch längst nicht genug. 

Initiativen aus der Kunst selbst – und ein engagierter Kultursenator

Da hatte Berlin bereits Soforthilfen gezahlt und zusätzliche Stipendien ausgelobt, waren Kunstvermittler*innen in die Rolle von Avataren geschlüpft, um digital durch Programme zu führen. Seitdem findet Kunst vermehrt digital sowie in Schaufenstern und unter freiem Himmel statt.

Kultursenator Klaus Lederer, hier bei einem Termin im Friedrichstadt-Palast am 31.8.2020, hat einen guten Stand in Berlins Kunstwelt. Foto: Imago Images/Futureimage
Kultursenator Klaus Lederer, hier bei einem Termin im Friedrichstadt-Palast am 31.8.2020, hat einen guten Stand in Berlins Kunstwelt. Foto: Imago Images/Futureimage

Es sind vor allem Initiativen von Künstler*innen, Galerist*innen und des institutionellen Mittelbaus, die den Betrieb am Laufen halten – zusammen mit einem Kultursenator, der in der Landesregierung wie in großen Teilen des Kunstfelds keinen schlechten Stand hat. Die Chancen, die Folgen der Pandemie für die Kunststadt Berlin abzufedern, sehen zumindest bis zur Abgeordnetenhauswahl 2021 einigermaßen ordentlich aus.


Mehr Kunst in Berlin

Er gehört zu den besten Illustratoren der Welt. Wir zeigen 12 Berlin-Aquarelle von Christoph Niemann. Fantasie ist der einzige Ausweg aus der Pandemie, findet Anna Nezhnaya, mit der wir über ihre Gruppenausstellung „Portal“ im Schau Fenster sprachen. In der Pandemie gibt es viel Kreativität, auch in Bezug auf Ausstellungsorte. Das Berghain wurde im Sommer mit der Boros-Stiftung zum „Studio Berlin“, vielleicht geht es ja nach dem Lockdown weiter. Und im November fand eine Helmut-Newton-Ausstellung unter freiem Himmel statt.

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