Interview

Hunde in Berlin: „Heißer Asphalt bereitet den Pfoten Probleme“

Hunde gehören zu Berlin, die Menschen lieben ihre Vierbeiner heiß und innig. Peter Fox singt dazu in seiner Berlin-Hymne „Schwarz zu Blau“: „Jeder hat ’n Hund, aber keinen zum Reden“. Irgendwann mal ist Berlin also auf den Hund gekommen. Aber fühlen sich die pelzigen Vierbeiner in der Großstadt genauso wohl wie wir Menschen? Ein Gespräch mit Tierärztin und Hundetrainerin Xenia Katzurke, über angespannte Stadthunde auf Großveranstaltungen und die Unverträglichkeit von heißem Asphalt und Hundepfoten.

Hunde in Berlin Nicht jeder Hund fühlt sich in der U-Bahn wohl. Einige sind jedoch an die Großstadt angepasst und können sogar in der U-Bahn entspannen.
Nicht jeder Hund fühlt sich in der U-Bahn wohl. Einige sind jedoch an die Großstadt angepasst und können sogar im vollen Wagon entspannen. Foto: Imago/Contini

Hunde in Berlin: Einige kommen besser klar, andere schlechter

tip Berlin Berliner:innen und ihre Hunde – es ist eine Liebesgeschichte. Aber können Statdhunde das Leben in Berlin genauso genießen ihre Halter:innen?

Xenia Katzurke Genau wie bei uns Menschen gibt es auch Hunde, die sich in Berlin absolut wohl fühlen und andere, denen der Trubel zu viel ist.

tip Berlin Die Großstadt ist voller „unnatürlicher“ Gerüche. Ist das für Hunde unangenehm, weil sie einen viel feineren Geruchssinn haben als wir Menschen?

Xenia Katzurke Der Hund ist an das Zusammenleben mit dem Menschen sehr gut angepasst. Von uns als unangenehm wahrgenommene Gerüche müssen nicht mit dem Empfinden des Hundes übereinstimmen, und umgekehrt.

tipBerlin Wie sieht es mit Lärm aus? Kann man einen Hund bedenkenlos mit aufs Straßenfest, in die U-Bahn oder ins Restaurant nehmen und davon ausgehen, dass er sich entspannen kann?

Xenia Katzurke Genau wie unter den Menschen, gibt es auch Hunde, die sich in Berlin absolut wohl fühlen und andere, denen der Trubel zu viel ist. Nicht jeder Hund ist an die urbane Situation angepasst. Leider sieht man immer häufiger Hunde, die wahllos aufgrund eines Fotos im Internet importiert wurden, sich weder von der Vorgeschichte, noch von der genetischen Veranlagung für eine Stadt, geschweige denn Berlin, eignen und nur zur Bespaßung des Menschen gekauft wurden. Diese leiden, haben Angst, laufen den Menschen davon oder zeigen anderweitige Verhaltensauffälligkeiten. Andere Hunde hingegen folgen ihrem Menschen souverän auf Schritt und Tritt, kennen das Umfeld und fühlen sich sicher. Diese Hunde können auch in der U-Bahn entspannen.

tip Berlin Welche Orte in der Stadt sollte man mit seinem Hund meiden, um unnötigen Stress für das Tier zu umgehen?

Xenia Katzurke Hunde sollten nicht mit auf Großveranstaltungen genommen werden, keine Rolltreppen betreten oder an verbotene Plätze, zum Beispiel Kinderspielplätze, entgegen der Bestimmungen, mitgenommen werden.

Tiere werden „unüberlegt“ angeschafft und landen dann wieder im Tierheim

tip Berlin Welchen anderen Risiken sollten sich Hundehalter:innen bewusst sein, die mit ihren Tieren auf belebten Stadtplätzen unterwegs sind?

Xenia Katzurke Man muss seinen Hund schützen und ebenso rücksichtsvoll mit seinen Mitmenschen umgehen. In der Großstadt ist es umso wichtiger, auf seine Mitmenschen Rücksicht zu nehmen, die möglicherweise keine Hundefreunde sind.

tipBerlin Schaffen sich viele Berliner:innen, genau wie anderer Großstädter:innen, Ihrer Meinung nach oft vorschnell oder unüberlegt einen Hund an?

Xenia Katzurke Gerade die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass unwahrscheinlich viele Hunde angeschafft wurden. Leider konnten wir beobachten, dass dies oft unüberlegt geschah. Diese Tiere landen dann vielfach im Tierheim, weil sie „Probleme“ machen.

tip Berlin Sie haben es gerade angesprochen: Während der Coronakrise haben sich überdurchschnittlich viele Menschen einen Hund angeschafft. Wie beurteilen Sie diesen Trend aus Tierschutzsicht?

Xenia Katzurke Der illegale Welpenhandel hat unendlich viel Leid und Tod mit sich gebracht. Das Tierheim Berlin musste sehr viele kranke, verendende Welpen aufnehmen, weil sie für die hohe Nachfrage und aus Profitgründen vermehrt wurden. Vor allem junge Rüden – gerne Gebrauchshunderassen – kommen ins Tierheim. Diese Tiere hätten niemals an bestimmte Personen verkauft werden dürfen. Allein im vergangenen Jahr haben wir mehr als 120 Welpen aus dem illegalen Handel im Tierheim aufgenommen, meist von Polizei oder Veterinärämtern sichergestellt. Alle waren krank, einige haben die vorhergehende Tortur nicht überlebt. Das ist auch für uns schwer zu verkraften.

Hunde in Berlin: „Halter sollten ihren Hunden ein schönes Leben ermöglichen. Jeden Tag – nicht nur am Wochenende“

Hunde in Berlin Heiße Sommer machen nicht nur Großstädter:innen, sondern auch ihren Hunden zu schaffen. Zu heißer Asphalt kann an ihren Pfoten schmerzen.
Heiße Sommer machen nicht nur Großstädter:innen, sondern auch ihren Hunden zu schaffen. Zu heißer Asphalt kann an ihren Pfoten schmerzen. Foto: Imago/Wagner

tip Berlin Welche Fragen sollte man sich stellen, bevor man sich in der Stadt einen Hund anschafft?

Xenia Katzurke Passt genau dieser Hund ein Hundeleben lang zu mir und meinen Lebensumständen? Kann ich diesem Hund gerecht werden?

tip Berlin Ist das Halten eines Hundes in einer Stadtwohnung ohne Garten überhaupt zu empfehlen?

Xenia Katzurke Pauschal kann man das nicht beantworten. Es kommt auf den Hund an und darauf, wieviel Zeit der Halter in den Hund investiert, um diesem ein schönes Hundeleben zu ermöglichen. Und das jeden Tag – nicht nur am Wochenende.

tip Berlin Wenn man in der Stadt keinen eigenen Garten hat, sollte man dann zumindest möglichst nah am Park wohnen, sodass man öfter spontan spazieren gehen kann? Oder reicht es für das Tierwohl aus, wenn man die täglichen festen Spazierzeiten einhält?

Xenia Katzurke Wenn man die Verantwortung für einen Hund übernimmt, dann kann es sein, dass diesem Hund der Spaziergang im Park oder der Auslauf im Garten überhaupt nicht ausreicht – das hängt aber individuell von dem Hund ab. Genau wie wir Menschen haben Hunde, je nach Charakter oder Alter, ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Vorlieben. Und auch die Rasse spielt eine Rolle. Berlin bietet viele Grünflächen und ein schönes Umland, das zu Spaziergängen einlädt. Dennoch haben wir zu wenig offizielle Auslaufflächen für unsere Hunde in Berlin. Der Tierschutzverein für Berlin (TVB), der auch das Tierheim Berlin betreibt, setzt sich für die Schaffung dieser ein.

„Für manche Hunde ist ein überschaubares Lebensumfeld – zum Beispiel in einer Stadtwohnung – sogar besser“

tip Berlin Macht es einen Unterschied, ob der Hund, den man in der Stadtwohnung hält, groß oder klein ist? Sprich, brauchen kleinere Hunde weniger Auslauf und sind „pflegeleichter“?

Xenia Katzurke Nein. Es gibt auch unter den kleinen Hunderassen echte Workaholics und bei größeren gibt es auch genügsame Vertreter. Bei großen Hunden gilt es jedoch zu beachten, dass diese etwaige Treppen nicht hochgetragen werden können, wenn sie körperliche Gebrechen haben.

tip Berlin Kann es allgemein sein, dass Hunde Probleme bekommen, wenn sie sich in Lebensräumen bewegen, die für den Menschen gemacht sind?

Xenia Katzurke Vor allem im Sommer ist heißer Asphalt ein echtes Problem für Hundepfoten. Im Winter hingegen ist es das Streusalz, das Probleme bereitet.

tip Berlin Gibt es Hunderassen, die sich besser für eine Haltung in der Stadt eignen, als andere?

Xenia Katzurke Durchaus, jedoch ist jeder Hund auch individuell zu betrachten. Bei diesem Thema muss auch jeder künftige Hundehalter darauf hingewiesen werden, dass er sich bitte keine Qualzucht wie Französische Bulldoggen, Möpse, und so weiter kaufen sollte, weil sie wegen ihrer Atemnot als „ruhiger und angepasster“ angepriesen werden. Sollte man sich doch für einen solchen Hund interessieren, dann diesen bitte nur aus einem Tierheim holen.

tipBerlin Unterm Strich: Kann ein Berliner Hund, der mit seinem Herrchen in einer Wohnung in der Innenstadt lebt und täglich dreimal ums Quarree oder durch den Stadtpark läuft, „glücklich“ sein?

Xenia Katzurke Wir hatten schon Hunde im Tierheim, für die genau dieses Setting optimal war, wenn der Mensch sich gut um sein Tier gekümmert hat. Für manche Hunde ist ein solch überschaubares Lebensumfeld besser, als ein Leben im Tierheim. Jedoch gilt das nicht für jeden Tierheimhund.

Xenia Katzurke ist Tierärztin für Verhaltenstherapie und Hundetrainerin im Tierheim Berlin. Sie arbeitet täglich mit Tierheim-Hunden, die abgegeben, ausgesetzt oder vernachlässigt wurden und hilft dabei, sie fit zu machen für ein neues Zuhause. 


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