Weibliche Lust

Masturbieren in der Corona-Krise: Fickt euch doch selbst

Wann masturbieren in der Corona-Krise eigentlich Frauen, die mit Partner*innen und Kindern zusammenleben? Wer in der Beziehung offen über Sex redet, kann auch das Bedürfnis nach Selbstbefriedigung äußern. Der Rest könnte sich überlegen, über den eigenen Schatten zu springen und mit dem*r Partner*in darüber zu reden. Denn Masturbieren macht Spaß und tut gut – dem Sex und dem Selbstbewusstsein.

Masturbieren ist gut für den Sex und das Selbstbewusstsein. Wir könnten die Isolation dafür nutzen.
Masturbieren ist gut für den Sex und das Selbstbewusstsein. Wir könnten die Isolation dafür nutzen. Foto: imago/imagebroker/Bergsteiger

Seit Mitte März stelle ich mir immer wieder eine Frage: Wann und wo masturbieren jetzt eigentlich die Frauen, die mit ihrer*m Partner*in zusammenleben? Oder kleinen Kindern?  Jetzt, wo die Krise einem jede Gelegenheit nimmt, sich mit Pornos, mit Sex Toys, mit Filmen und Bildern im Kopf an einen gemütlichen Platz in der Wohnung zurückzuziehen ­­– allein.

Wo die Corona-Krise viele von uns auch während unserer Arbeitszeit in unsere Wohnungen zwingt, uns nötigt, gefühlt 90 Prozent unserer Zeit, vielleicht sogar mehr, in direkter Nähe zu unseren Partner*innen zu verbringen? Home-Office, go fuck yourself. Wenn wir es schon nicht können.

„Aber sowas kann man in einer Beziehung doch ansprechen!“, werden manche von euch (die Neunmalklugen) jetzt sagen. Ich nehme meine Antwort mal vorweg: Stimmt, in einer idealen Beziehung mit nahezu perfekten Menschen ginge das. Aber nicht in einer Welt, in der viele Männer heimlich Bukkake-Pornos gucken und manche Frauen nicht wissen, dass die Klitoris ein stattliches Organ ist. Oder wie sie sie so stimulieren, dass sie zum Orgasmus kommen.

Noch immer masturbieren Frauen weniger als Männer

Zwar masturbieren immer mehr Frauen, doch 15 Prozent befriedigen sich laut Umfragen gar nicht selbst. Je nach Studie geben zehn bis 26 Prozent der Frauen an, noch nie einen Orgasmus gehabt zu haben. Bei den Männern sieht es anders aus. Da masturbieren sechs bis sieben Prozent überhaupt nicht. Und das Phänomen der „Anorgasmie“, also noch nie einen Orgasmus gehabt zu haben, ist unter Männer fast nicht existent. Deswegen geht’s in diesem Text um Frauen. Macht Sinn, oder?

Dass es dieses Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen gibt, ist schade, aber irgendwie auch nicht verwunderlich. Und für einige sicher auch keine Neuigkeit. Viele Menschen betrachten weibliche selbstbestimmte Sexualität immer noch mit Scham. Und die weiblichen Geschlechtsorgane auch. Sie sind fast unsichtbar. Herrje, es gibt nicht mal einen vernünftigen Namen für Vulva und Vagina in ihrer Gesamtheit!

Masturbieren in der Corona-Krise: Kann nur gut tun

Genau so wenig existieren wahnsinnig viele umgangssprachliche Begriffe, die Masturbation bei Frauen umschreiben. Sich einen von der Palme schütteln, sich einen rubbeln, wichsen – in meiner Wahrnehmung beziehen sich all diese Wörter auf Masturbation bei Männern. Und das, obwohl bis zu 64 Prozent aller Frauen manchmal abspritzen, wenn sie kommen. Das schreibt die Berliner Autorin Stephanie Haerdle in ihrem neuen Buch „Spritzen“. Weiß fast kein Schwein und die, die es wissen, mussten und müssen sich oft anhören, dass weibliche Ejakulation nicht existiere.

Um der Unsichtbarkeit von Yonis (Das ist Sanskrit und der einzige Begriff, der die gesamten weiblichen Genitalien beschreibt. Deswegen benutze ich ihn ab jetzt. Außerdem klingt er schön: Yoni, Yoni, Yoni.) und schamvoller weiblicher Sexualität ein Ende zu setzen, könnten wir mal kurz die Patriarchy smashen. Oder wir malen Vulven mit Edding an Hauswände, wie kleine Jungs Penisse. Beides eine gute Idee, nur lässt sich ersteres leider nicht so schnell umsetzen und zweiteres entfaltet seine Wirkung erst mit der Zeit. Die Mühlen der Emanzipation mahlen langsam.

Masturbieren in der Corona-Krise: Ehrlich kommunizieren hilft – auch wenn es schwer fällt

Es gibt noch eine dritte Handlungsoption, die das Problem zwar nur so halb an der Wurzel packt, aber dafür Spaß macht und nebenbei auch etwas bewegt: Lasst uns onanieren, Schwestern! Den eigenen Körper und die eigenen Bedürfnisse (noch besser) kennenzulernen, kann Frauen nur helfen. Diejenigen, die in ihrer Beziehung eh offen über Sex und Masturbation sprechen, könnten sagen: Ich brauche jetzt mal wieder Zeit für mich. 

Wer bis jetzt noch nicht so weit war, mit ihrer*m Partner*in darüber zu sprechen, könnte diese verrückte Zeit dafür nutzen, um den schamhaften Umgang mit Masturbation zu beenden. Diese Frauen* könnten ihren Partner*innen rundheraus zu sagen: Ich gehe jetzt masturbieren! Ohne dich! Weil ich das gerade brauche, weil es mich glücklich macht. Und überhaupt, weil davon der Sex besser wird, ist doch klar.

Davon ist auch Sexualtherapeutin Silke Wahnfried überzeugt. Sie berät Männer, Frauen und Paare in ihrer Praxis in Charlottenburg. Masturbieren hat außerdem einen positiven Effekt auf die Wahrnehmung des eigenen Körpers. Wahnfried sagt dazu: “Wenn Frauen nicht zufrieden mit ihrem Körper sind, kann Selbstexploration helfen, ihn zu akzeptieren.” 

Wenn man es so sieht, hat die Corona-Krise auch etwas Gutes: Vielleicht gehen ein paar von uns ja auch als selbstbewusstere Frauen, die jetzt öfter und besser kommen, aus dieser Krise. 


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