Liebe & Lust

Schwarzer Reiter: Mode zwischen Fetisch und Haute Couture

BDSM und Luxus: Geht das zusammen? Bei dem Berliner Fetisch-Fashion-Label Schwarzer Reiter wird diese Frage mit einem eindeutigen Ja beantwortet. Unsere Autorin war vor Ort, um sich das Geschäft anzusehen und mit dem Team hinter dem Unternehmen zu sprechen.

Fetisch Couture Schwarzer Reiter
Verführung in Schwarz: Der Flagshop von Schwarzer Reiter in der Torstraße wandelt zwischen Fetisch und luxuriöser Couture. Foto: Schwarzer Reiter

Schwarzer Reiter: Vom Stoffgroßhandel zum Fetisch-Label

Bereits die Schaufenster des Fetisch-Labels Schwarzer Reiter versprechen eine einzigartige Mischung aus Kink und dem gewissen Hauch von Luxus. Der Flagshop direkt neben dem berühmten Soho House Berlin entführt mit stilvoll präsentierten Handcuffs, Gerten und Fetisch-Fashion in eine aufregende Welt der dunklen Erotik, die dem Kunden erlaubt, seine Fantasien wahr werden zu lassen. Egal ob für 49 oder 5000 Euro: Bei Schwarzer Reiter bekommt jeder denselben Service, und das gesamte Team um Inhaberin Gisela Braun und Designer Edin Desosa ist stolz darauf, mittlerweile so viele Kunden glücklich machen zu können.

Dabei begann die Erfolgsgeschichte von Schwarzer Reiter mehr oder weniger zufällig. Braun, mit einem Background im Vertrieb, und Desosa, studierter Modedesigner, vereinte bereits zu Beginn eine gemeinsame Idee: Zusammen wollten sie schon vor „Shades of Grey“ den Style in der Fetisch- und SM-Szene aufbrechen und stilvoll die Hemmschwelle senken. Das ganze Thema sollte progressiver und offener betrachtet werden. „Die meisten Menschen haben Vorurteile“, erklärt Desosa. „Wenn man BDSM hört, dann ist die erste Vorstellung Pulp Fiction: Der Typ, der aus der Kiste steigt.“

Braun und Desosa jedoch wollten dem Ganzen einen gewissen Style und Luxus verpassen. Ihr Antrieb dabei war, dass jeder, der sich bei Chanel eine Tasche kauft, mit dieser Tasche auch zu ihnen kommen kann und dort genau das Luxusobjekt findet, das er möchte. Schon eine halbe Stunde nach ihrem zufälligen Aufeinandertreffen fuhren sie bereits in den Stoffgroßhandel und suchten nach passendem Material für ihre Vorstellungen. Das Ergebnis wurde nur eine Woche später in Form eines wunderschönen Kissens produziert, in dem Sextoys versteckt werden konnten, ohne dass es jemandem auffiel.

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Schwarzer Reiter Team Edin Desosa Rosa Matteo
Matteo, Rosa und Edin Desosa gehören zum mittlerweile elfköpfigen Team von Schwarzer Reiter. Foto: Lisa Levkic

In seinen Anfängen wurde das Label vor allem mit den von Desosa designten Accessoires groß. 2010 folgte die erste Ausstellung mit eigener Kollektion auf der Boudoir-Messe, die auf hochwertige Wäsche ausgerichtet ist. Mode-Unternehmerin Anita Tillman war schließlich die Erste, die erkannte, welches Potenzial hinter Schwarzer Reiter steckt und die das Label dazu einlud, auf der Fashion-Messe Premium auszustellen. Das Unternehmen steht seit jeher auf eigenen Füßen, hat langjährige Verbindungen mit Händlern aufgebaut und hat klare Zielvorstellungen: etwas anbieten, das es sonst nirgends gibt.

Schwarzer Reiter produziert das, was es nicht gibt

Schwarzer Reiter hatte immer Ansprüche, aber keine Vorurteile: Über niemanden, der den Laden betritt, wird ein Urteil gefällt. „Du kannst sein, wer du willst“, so könnte das Motto lauten. Das Unternehmen steht hinter jedem Produkt, das es verkauft, ganz gleich, in welcher Preiskategorie es sich befindet. „Der Kunde für 49 Euro soll genau das gleiche Gefühl mit nach Hause nehmen“, sagt Desosa. „Dass er stolz darauf ist, ein Schwarzer-Reiter-Produkt erworben zu haben.“

Das Label war das erste, das auf einer Ausstellung Handcuffs in Echtpelz präsentierte. Alles, was aus Pelz produziert wird, ist dabei upcycled, Desosas erste Pelz-Cuffs schneiderte er aus dem alten Fuchspelzmantel seiner Urgroßmutter. Auch Pythonleder wird zum Beispiel für Accessoires verwendet und sogar Rochen- und Tilapialeder kamen schon zum Einsatz. Die exotischen Materialien gibt es häufig nur auf Anfrage oder aufgrund des Preises in kleinerer Stückzahl. Ein spezielles, perforiertes Textilleder ist exklusiv nur bei Schwarzer Reiter zu bekommen. Aber nicht alles ist aus Leder, vegane Produkte gibt es ebenfalls.

Fashion bei Schwarzer Reiter
Alles, was bei Schwarzer Reiter glitzert, kommt aus dem Hause Swarovski. Foto: Schwarzer Reiter

Das Verkaufsteam ist darauf geschult, zu sehen und dem Kunden zu vermitteln, welche Möglichkeiten für das Produkt angemessen sind. Viel von dem, was Schwarzer Reiter verkauft, wird aktiv benutzt und muss dementsprechend halten, aber manche Produkte sind auch sehr delikat. Was dabei für die Kunden richtig ist, findet das Team bei einer umfangreichen Beratung heraus, schließlich reicht die Bandbreite von Outfits für den ersten Besuch im KitKat Club bis zu Wünschen nach „etwas, das zwiebelt“. Braun stellt klar: „Wenn wir merken, wir können einem Kunden nicht helfen, dann machen wir gerne eine kurze Einordnung, wer was anbietet und schicken die Kunden dahin, damit sich jeder wohlfühlt.“

Schwarzer Reiter kann sich dabei auch über stets ausverkaufte Kollektionen und über einen internationalen Kundenstamm freuen. Ein während einer Ausstellung im Metropol vorgestelltes Federkleid ging anschließend nach Abu Dhabi. Ein Teil der Kundschaft kommt aus Berlin, der Großteil jedoch aus dem europäischen und internationalen Ausland. „Es ist toll, wenn jemand aus Australien kommt und sagt ‚Ich wollte zu Schwarzer Reiter‚“, schwärmt Braun. „Wir sind ein kleines Label und trotzdem kennt man uns, es hat sich herumgesprochen.“

Fetisch-Fashion made in Berlin

Pythonleder im Atelier
Im hauseigenen Atelier werden Accessoires mit der Hand hergestellt – auch aus exotischem Material wie Pythonleder. Foto: Lisa Levkic

Jedes Produkt, auf dem das Logo von Schwarzer Reiter zu sehen ist, wird im eigenen Atelier produziert. Der Lederhändler, von dem das Unternehmen sein Material bezieht, ist in Berlin ansässig, und alles wird hier gekauft, zugeschnitten und verarbeitet. Desosa achtet dabei darauf, dass das Leder EU-Standards entspricht, nicht chromgefärbt ist und keine Schwermetalle enthält. „Wenn Leder riecht, ist es nie gut. Leder darf nicht riechen.“ Auch die Kollektion BLCKLBL wird in Deutschland produziert.

Der Designer ist stolz auf sein Team: „Es wäre ein Trugschluss zu glauben, es läge nur an mir. Ich habe ganz großartige Menschen hinter mir, die es mir ermöglichen, das zu tun.“ Alle Arbeiten werden vom Team stets aktiv überprüft, bevor sie in den Verkauf gegeben werden. „Bei uns ist nichts billig, bei uns ist maximal etwas günstig.“ Als Off-Season-Label muss sich das Unternehmen nicht den Sommer- oder Wintersaisons unterwerfen, sondern kann ganzjährig agieren.

Neue Brands empfinden Braun und Desosa nicht als Konkurrenz. „Wir können ja nicht alles. Wenn jemand dazukommt, der etwas kann, das wir nicht können, ist das eine Bereicherung für die Szene insgesamt.“ Die Kundenbase, die sich Schwarzer Reiter in den letzten 14 Jahren aufgebaut hat, beschreibt Braun als das große Goldnugget des Labels. „Wir haben treue Kunden, die zu uns kommen und dafür tolle Sachen mit nach Hause nehmen.“

Wie ein einzigartiger Style die Szene beeinflusst hat

Accessoires von Schwarzer Reiter
Halsbänder gehören zu den beliebtesten Accessoires in der Kink- und Clubszene. Foto: Schwarzer Reiter

Die Szene hat sich in den letzten Jahren sehr geöffnet. Heute können Menschen ihren Freunden erzählen, dass sie abends ins KitKat gehen und keiner fällt mehr rückwärts um. Besonders Body- und Leg-Harnesse feierten eine Renaissance und das Halsband liegt nicht nur voll im Trend, sondern gehört schon fast obligatorisch zu jedem Cluboutfit dazu. Dass die ganze neue Generation so frei und selbstbewusst und vor allem fantastisch angezogen ist, begeistert Braun und Desosa besonders. Gerade in Berlin sehen die beiden eine große Kreativität bei der jüngeren Generation.

Die Outfits von Schwarzer Reiter sind aber nicht nur etwas für den nächtlichen Club. Tragen kann man sie überall, wenn man es denn möchte. „Wir verkaufen ja nichts, womit man sich verstecken muss“, sagt Desosa. Wer sich fragt, warum er überhaupt zu Schwarzer Reiter kommt und etwas kaufen will und sich diese Fragen beantworten kann, dem stellt sich die Frage gar nicht mehr, wo er die Fashion überall tragen kann.

Auch durch Corona zeichneten sich neue Trends ab. Die Menschen waren so ausgenüchtert, weil sie nirgendwo hin konnten, dass sie teilweise 40 Minuten lang Schlange standen, um in den Laden zu kommen. „Vor Corona ging Lack gar nicht“, erzählt Desosa. „Heute heißt es: je extremer, desto besser.“ Glänzender Lack, kürzer, noch kürzer, viele Strippen: Schwarzer Reiter hat einen großen Beitrag zu der Freiheit geleistet, die Menschen in der Szene heute leben. „Vor uns gab es keine Ein-Zentimeter-Halsbänder in ganz schmal. Das war unser Style, den wir gemacht haben.“

Schwarzer Reiter und die Zukunft

Sortiment im Fetisch Store
Das üppige Sortiment von Schwarzer Reiter lockt Kunden von weltweit nach Berlin. Foto: Schwarzer Reiter

Schwarzer Reiter bewegt sich gerne zwischen den Welten

Im Februar 2023 fand eine Umfirmierung des Labels statt. Aus dem Einzelhandel wurde eine GmbH gegründet, ein großer Moment für das Unternehmen. Mittlerweile stellt das Team auch fest, dass der Laden zu klein geworden ist für das, was er anbieten will und auch für die Kundschaft, die immer größer wird. Schwarzer Reiter ist also nun auf der Suche nach einem neuen Standort in Berlin, um sich zu vergrößern. Und mit mehr Platz kommen mehr Möglichkeiten. Zum Beispiel High Heels und Boots für Frauen und Männer und eigene Bereiche für Brands, mit denen Schwarzer Reiter in den vergangenen Jahren enge Verbindungen aufgebaut hat.

Das Label ist Teil der Fashion-Industrie dieser Stadt, ignorieren kann man es nicht. Und das Team ist stolz darauf, dass es fürs Unternehmen seit der Gründung vor allem bergauf ging. Ob es in all der Zeit ein besonderes Highlight gegeben hat? Diese Frage beantworten Braun und Desosa einstimmig. „Das Highlight ist Schwarzer Reiter. Jeden einzelnen Tag.“

Auch Desosa hat weitere Pläne für die modische Zukunft des Labels und konzentriert sich gerade auf BLCKLBL Women. Danach möchte er sich Gedanken um die nächste Couture-Kollektion machen. Dabei bleibt stets der Anspruch, etwas zu zeigen, was es so noch nie gab. Schwarzer Reiter bewegt sich dabei gerne zwischen den Welten. „Auf der einen Seite können wir auf der Fashion Week mitmachen und müssen uns da mit unseren Entwürfen hinter niemandem verstecken“, sagt Braun. „Aber wir sind auch nicht die Fetisch-Szene. Wir sind Schwarzer Reiter.“

  • Schwarzer Reiter Torstraße 3, Mitte, weitere Infos hier

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