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Das Dong Xuan Center in Lichtenberg: Vietnam in Berlin

Das Dong Xuan Center in Berlin bietet in sechs Hallen, mit einer Verkaufsfläche von je 6.500 Quadratmetern, ein vielfältiges Großhandelsangebot, Gastronomie und Dienstleistungen. „Klein Hanoi“, wie es liebevoll genannt wird, ist ein Umschlagort für fernöstliche Lebensmittel und Waren – und der größte Asia-Markt der Stadt.

Einkaufen darf hier jeder. Doch wie ist das Center entstanden? Lohnt sich ein Besuch? Und wie steht es um die Zukunft des Handelszentrums?

Das Einganstor des Dong Xuan Centers an der Herzbergstraße in Berlin. Foto: Stefanie Kaiser

Vom Industriegelände zum interkulturellen Handelszentrum

Geschichte Die Geschichte des Dong Xuan Centers beginnt im Jahr 2005, den Standort in der Herzbergstraße gibt es aber schon weitaus länger. 1872 errichtet Siemens auf dem Gelände eine Teilproduktions-stätte zur Herstellung von Alkohol-Messapparaturen. Im Laufe der Jahre ändert sich der Produktionsschwerpunkt immer wieder, von Beleuchtungskohle und Heizstäben über Güter der Rüstungsindustrie im Ersten Weltkrieg bis hin zu Teer- und Kohleerzeugnissen im Zweiten Weltkrieg.

Nach Kriegsende wird der Betrieb zunächst Sowjetische Aktiengesellschaft und 1954 volkseigener Betrieb unter dem Namen VEB Elektrokohle Lichtenberg. Es erfolgt eine Verschmelzung mit dem VEB Chemiekombinat Bitterfeld im Jahr 1969 und 1996 eine Übernahme durch den US-amerikanischen Konzern UCAR International. Noch im selben Jahr wird die Großproduktion auf dem Standort in Lichtenberg eingestellt, die Gebäude geräumt und die Schornsteine gesprengt.

In sechs Hallen gibt es ein vielfältiges Angebot, an ostasiatischen Waren, Dienstleistungen und Gastronomie. Foto: Imago Images/Bernd Friedel

In den Folgejahren produziert hier nur noch die Firma PanTrac GmbH, ein mittelständisches Unternehmen mit dem Schwerpunkt der Endproduktion von Industriekohleerzeugnissen.

Not macht erfinderisch: Die Entstehung des Dong Xuan Centers in Berlin

Im Dong Xuan Center gibt es unzählige Bekleidungsgeschäfte mit Waren für den Einzelhandel und auch für Privatkunden. Foto: Stefanie Kaiser

Nach der Wiedervereinigung werden viele der vietnamesischen Vertragsarbeiter*innen der DDR arbeitslos. Ohne Ausbildung und mit schlechten oder gar keinen Deutschkenntnissen führt der Weg für den Großteil zurück in die alte Heimat. Die, die bleiben wollten, haben es nicht leicht. Sie müssen sich als Selbstständige durchschlagen, um Anerkennung und ihre Existenz kämpfen.

Einer von ihnen ist Nguyen Van Hien, der nach der Wende beginnt, Kleidungsstücke zu vertreiben, die er auf einem Großmarkt in Polen einkauft. Hier trift er regelmäßig auf vietnamesische Kolleg*innen aus Berlin, was ihn auf die entscheidende Idee bringt. Im Jahr 2003 kauft er die Industriebrache an der Herzbergstraße in Lichtenberg, zwei Jahre später gründet er das Handelszentrum mit dem Namen Dong Xuan Center.

Die Geschäfte in den Hallen des Dong Xuan Centers sind bunt, voll und wie eine andere Welt. Foto: Stefanie Kaiser

„Dong Xuan“ heißt im vietnamesischen übrigens so viel wie „Frühlingswiese“. Der Name kommt vom Dong Xuan-Markt in Hanoi, dem größten und ältesten Markt der vietnamesischen Hauptstadt, der bereits seit 1889 existiert.

Dong Xuan Center: außen zweckmäßig, innen lebhaft, bunt und laut

Bereits in den ersten zehn Jahren werden 30 Millionen Euro investiert. Weitere 100 Millionen Euro sind für den kompletten Ausbau des Geländes vorgesehen. Heute befinden sich auf dem knapp 200 Hektar großen Grundstück sechs Verkaufshallen mit vielfältigen Angeboten des Großhandels sowie Gastronomie und Dienstleistungen und zwei weitere Hallen zur Lagerung der Waren.

Die Waren im Dong Xuan Center sind teilweise bis an die Decken der Lagerhallen gestapelt. Foto: Giulio Daverio

Was von außen vor allem zweckmäßig aussieht, birgt im Inneren eine ganz eigene Welt. Lebhaft, bunt und laut ist es in den Hallen, hier arbeiten 400 Unternehmer*innen und weitere 2000 Mitarbeiter*innen jeden Montag sowie Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 20 Uhr. Geschlossen ist das Center nur am Dienstag. Die Händler*innen kommen vor allem aus Vietnam, aber auch aus China, Indien, Pakistan und der Türkei und führen Handelsbeziehungen nach ganz Europa.

Deutsche Weihnachtsdeko und Plastik-Dinosaurier

Rund 50 Friseure und Kosmetikstudios befinden sich in den Hallen des Dong Xuan Centers. Foto: Imago Images/Joko
Rund 50 Friseure und Kosmetikstudios befinden sich in den Hallen des Dong Xuan Centers. Foto: Imago Images/Joko

Fast 50 der insgesamt 143 Geschäfte sind Friseur- und Kosmetikstudios. Auch mehrere Massage- und Tattoo-Studios, so wie Handy-Reparaturservices, Reisebüros, vietnamesische Steuerberater, Rechtsanwälte, Werbeagenturen und eine Fahrschule sind hier ansässig. Der Großteil, der in den sechs wahllos nummerierten Hallen befindlichen Geschäfte, verkauft allerdings Handelswaren. Und das Angebot ist immens.

In den Geschäften gibt es Lebensmittel, Kleidung, Schmuck, Spielzeug, Haushaltswaren, Elektrogeräte und vieles mehr. Die Kisten stapeln sich in den Regalen bis zur Decke. Das kann auf den ersten Blick eine ganz schöne Reizüberflutung sein. Auf den zweiten Blick allerdings auch. Hier findet man Schmuck neben Verteilerdosen, Puppen neben Taschenmessern, imitierte erzgebirgische Weihnachtsdeko neben Plastik-Dinosauriern und Kinderfährräder neben Shishas. Und das alles in hundertfacher Ausführung.

Im Dong Xuan Center gibt es vor allem Waren Made in Asia. Foto: Stefanie Kaiser
Im Dong Xuan Center gibt es vor allem Waren Made in Asia. Foto: Stefanie Kaiser

Paradies für Schnäppchenjäger*innen statt Hochglanz-Shoppingmall

Der Plastikgeruch der vielen, vor allem billig in Asien produzierten Waren und Imitate bekannter Marken kann einem schon nach kurzer Zeit Kopfschmerzen bereiten.

Das Dong Xuan Center ist eben keine Hochglanz-Shoppingmall, sondern ein Großmarkt. Wenn man den deutschen Durchschnitt sucht, ist man hier falsch. Das ist aber auch gut so, denn wer herkommt, macht entweder Großeinkäufe oder ist auf der Suche nach Schnäppchen. Ob ein 8€-Haarschnitt, kostengünstige Kleidung oder die komplette Einrichtung für ein Nagelstudio: Wer Made in Asia will, kommt hier auf seine Kosten.

Einige Geschäfte im Dong Xuan Center bieten Zubehör für Nagel- und Kosmetikstudios. Foto: Stefanie Kaiser
Einige Geschäfte im Dong Xuan Center bieten Zubehör für Nagel- und Kosmetikstudios. Foto: Stefanie Kaiser

Vietnamesische Küche von Phở bis Bánh xèo

Dass ein niedriger Preis nicht immer auch gleichzeitig für Ramsch und eine mindere Qualität steht, weiß man spätestens nach einem Besuch in einem der Restaurants des Dong Xuan Centers. Hier findet man eine unverfälschte vietnamesische Küche, die nicht wie sonst an die Geschmäcker der westlichen und europäischen Kultur angepasst ist.

Mit Einflüssen aus Frankreich, China und Indien ist das Essen dementsprechend abwechslungsreich. Ob nordvietnamesische Phở (aromatische Rindsuppe mit Nudeln, Kräutern und Fleisch), südvietnamesische Bánh xèo (eine Art Crêpe) oder Bánh ít trần (gefüllte Klebereisbällchen) aus dem mittleren Teil Vietnams, das Angebot ist vielseitig.

Im Dong Xuan Center bekommt man exotische Lebensmittel und authentisches Street Food. Foto: Stefanie Kaiser
Im Dong Xuan Center bekommt man exotische Lebensmittel und authentisches Street Food. Foto: Stefanie Kaiser

Authentisch vietnamesisches Street Food und exotische Lebensmittel

Die Imbissbuden bieten authentisches Street Food, wie Bánh mì (vietnamesisches Sandwich mit Koriander!) und Süßspeisen, wie Chè Thap Cam (Eine Art Pudding mit vielen Toppings, klassisch mit Kokosmilch und Eiswürfeln). Eine tolle Abkühlung im bietet auch der typische vietnamesische Kaffee, der sehr stark mit süßer Kondensmilch und Eiswürfeln serviert wird oder Bubbletea, den es im Center an mehreren Stellen zu kaufen gibt.

Wer lieber selbst Essen zubereiten möchte, findet in den zahlreichen Lebensmittelgeschäften Früchte, fernöstliche Süßigkeiten und herzhafte Snacks sowie Koch- und Backzutaten, von denen der Durchschnitts-Deutsche noch nie etwas gehört hat.

Viele der angebotenen Lebensmittel sind nichts für die durchschnittliche deutsche Küche. Foto: Stefanie Kaiser
Viele der angebotenen Lebensmittel sind nichts für die durchschnittliche deutsche Küche. Foto: Stefanie Kaiser

Struktureller Wandel für den Dong Xuan Großhandel

Zukunft In den letzten Jahren stand das Dong Xuan Center oft in der Kritik. Nachrichten zu Menschenhandel und Verstößen gegen das Tierschutzgesetz kursierten. Vor allem aber die Kleingewerbe sind vielen ein Dorn im Auge. Im Flächennutzungsplan ist das Dong Xuuan Center für den Großhandel vorgesehen. Friseure, Kosmetik- und Nagelstudios sind damit nicht mehr im Center gestattet und sollen nach dem Willen von Lichtenbergs Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) anderswo angesiedelt werden.

In Zukunft sollen im Dong Xuan Center auch nur noch diejenigen einkaufen dürfen, die sich als Händler*innen ausweisen können, ähnlich wie bei der Metro. Auch wenn der Übergang sozial verträglich gestaltet werden soll, stellen die Strukturellen Änderungen viele Betreiber*innen vor große Herausforderungen. Bislang ist der Großmarkt weiterhin auch für Besucher*innen und Privatkäufer*innen geöffnet.

Im Don Xuan Center gibt es eine riesige auswahl an fernöstlichen Lebensmitteln Foto: Stefanie Kaiser
Im Don Xuan Center gibt es eine riesige auswahl an fernöstlichen Lebensmitteln Foto: Stefanie Kaiser

Kulturschock und ein Gefühl von Heimat

Für die zahlreichen Tourist*innen und deutschen Einkäufer*innen bedeutet ein Besuch im Dong Xuan Center vor allem erst einmal: Kulturschock! Das Überangebot an allem, die Gerüche, die Unfreundlichkeit mancher Händler*innen. Mitten in Berlin kann man sich hier wie in einer anderen Welt fühlen. Gefragt sind hier vor allem Offenheit und Neugier statt vorschneller Urteile.

Denn für viele in Deutschland lebende Vietnames*innen und Deutsche mit asiatischen Wurzeln sind Orte wie das Dong Xuang Center mehr als ein Einkaufsmarkt, sondern Begegnungsstätte, Kulturzentrum und ein Ort mit dem Duft der Erinnerung. Das Center ist für viele ein Stück Heimat und ein Ort des interkulturellen Austauschs, der erhalten bleiben muss.

Der Don Xuan Markt ist nicht nur Handelszentrum sondern auch Kultur- und Begenungsstätte. Foto: Giulio Daverio
Das Dong Xuan Center ist nicht nur Handelszentrum, sondern auch Kultur- und Begenungsstätte. Foto: Giulio Daverio

Anfahrt Zum Dong Xuan Center kommt man am besten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Zur Haltestelle Herzbergstraße/Industriegebiet kommt man mit der Tram M8. Zum Eingang der ersten Halle sind es dann noch 1-2 Minuten Fußweg. Auf dem Gelände befinden sich auch kostenfreie Parkplätze.

Dong Xuan Center Herzbergstraße 128-139, Lichtenberg, Tel. 030/551 52 03 8, Mo+Mi-So 10-20 Uhr, www.dong-xuan-berlin.de


Noch mehr Berlin

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