Früher haben die Menschen in der DDR viel gebastelt und repariert. Angesichts der Warenknappheit wurde nur wenig weggeworfen. Heute lebt diese Stärke in Brandenburg fort – in Firmen wie Asgoodasnew, die auf Kreislaufwirtschaft und Refurbishment setzen.
Refurbishment-Firma Asgoodasnew arbeitet in einem ehemaligen DDR-Halbleiterwerk
In einer Gegend, wo früher viel improvisiert wurde, wegen Mangelwirtschaft und sonstigen realsozialistischen Engpässen, ist Bastelarbeit immer noch gefragt. Man muss dafür nur auf ein ehemaliges VEB-Gelände am Stadtrand von Frankfurt/Oder gehen, wo technisch begabte Menschen jede Menge Schrott wieder herrichten.
Von 300.000 Vorgängen im Jahr spricht Andreas Max, 52, der Betriebsleiter, und die bearbeiteten Objekte sind vor allem benutzte Mobiltelefone: Handy-Knochen von Apple, Huawei oder Nokia, die unter Verbrauchern wegen beschleunigter Warenzyklen schnell als hinfällig gelten. Asgoodasnew heißt das Unternehmen, das aus diesem Recycling ein Geschäft gemacht hat. Über ein eigenes Online-Portal wechseln die Second-Hand-Artikel den Besitzer. 2008 ist diese Firma in Frankfurt/Oder gegründet worden.
Der Standort: das frühere Halbleiterwerk in der Oderstadt – während der SED-Diktatur der Top-Arbeitgeber in der Region. In diesem staatlichen Unternehmen haben vor der Wende noch 8.000 Menschen gewerkelt. Es handelte sich um die größte Produktionsstätte für Mikroelektronik in der DDR. Heute ist die übrig gebliebene Infrastruktur – samt einzelner Gebäude – das Kernstück eines Gewerbegebiets. Aktuell würde man zu den führenden Anbietern gehören, verkündet Andreas Max, ein Machertyp mit Polohemd und Jeans, der aus Thüringen stammt. Er hat sich zur Führungskraft hochgearbeitet.
Asgoodasnew, dieser Spezialist für gebrauchte Elektroprodukte, wächst. Allein zwischen 2018 und 2021 hat sich der Umsatz mehr als verdoppelt, von 52 auf 112 Millionen Euro. Konsumbewusstsein ist in Mode. Die Erfolgsstory passiert in einer Branche, die sich „Re-Commerce“ nennt. In einem nüchternen Gewerbegebäude residiert diese Niederlassung von Asgoodasnew. Rund 100 Leute arbeiten zurzeit dort. Vor der Wende waren chemische Labore in der Immobilie untergebracht – angewandte Wissenschaft zugunsten der damaligen Halbleiterproduktion. „Refurbishment“, so heißt der Trend zur Wiederverwertung auf Neudeutsch.
Damit wird interessanterweise an eine Mentalität angeknüpft, die im Arbeiter- und Bauernstaat verbreitet war. Leute zwischen Greifswald und Greiz haben repariert wie die Weltmeister – aus purer Not. Sie haben alte Roller wieder verkehrssicher gemacht, Möbel aufpoliert, und, ja, auch an Radios und Fernsehern geschraubt. Die Warenknappheit hat zu einer Ökonomie geführt, die man heute als Kreislaufwirtschaft bezeichnen würde.
Refurbishment in Frankfurt/Oder: Gelernt beim VEB Funkwerk
„Wir freuen uns, an diesem Wirtschaftsstandort des ehemaligen Halbleiterwerks einige der guten Werte der DDR fortführen zu können“, sagt Andreas Max. Er sagt auch: „Hier arbeiten fast nur Leute aus der Region.“
Manche Nerds, die sich mit Lötkolben über ein defektes Produkt beugen, erinnern ihn an die Mach’s-doch-selbst-Philosophie im kommunistischen Alltag. Andreas Max hat seine Berufsausbildung noch zu Mauerzeiten gemacht – beim VEB Funkwerk im thüringischen Kölleda, zum Elektronikfacharbeiter. Sein Vater war beim legendären Robotron-Kombinat tätig, in einem Werk nebenan in Sömmerda. Robotron, das war gewissermaßen das IBM des Ostens. Dort haben Ingenieure Rechner wie den „PC 1715“ hergestellt.
Andreas Max führt durch die Räumlichkeiten. In einem Großraum etwa prüfen Beschäftigte die Gebrauchtwaren. An einem Tisch sitzt beispielsweise Caro, eine Frau mit Brille über 50, die im 4.700-Einwohner-Städtchen Müllrose wohnt, ganz in der Nähe. Immer wieder greift sie in eine Plastikkiste mit Handys. Wie beschädigt sind die Geräte? Reichen Schönheitskorrekturen – oder müssen Kollegen reparieren? Passt der Zustand überhaupt zu den Angaben des Verkäufers?
In den allermeisten Fällen kauft Asgoodasnew die Geräte von Privatkunden, die aus ihren Besitztümern ein bisschen Geld machen wollen. Manchmal sind auch Tablets oder Kopfhörer darunter. Es geht um tragbare Geräte, so ist die Produktpalette definiert.
Eingerichtet in einem anderen Raum ist die Werkstatt, wo Fachleute, unter ihnen Kommunikationselektroniker, die Geräte wiederaufbereiten. Im Warenlager werden die Pakete ein- und ausgeliefert – und in einer anderen Abteilung erfüllen Mitarbeiter die Wünsche der Kunden. Die Adresse des Hauptsitzes ist inzwischen ein restaurierter Gewerbekomplex im Brickstone-Chic an der Cuvrystraße 1 in Kreuzberg. Dort entwickelt der Geschäftsführer Tim Seewöster die wirtschaftliche Strategie.
Zurück in die Gewerbelandschaften der ehemaligen DDR: Asgoodasnew ist nicht das einzige Unternehmen mit Dependancen östlich der Spree, das für Recycling in großen Stückzahlen steht. Nur Zufall oder eine Fortsetzung ostdeutscher Mentalitätsgeschichte?
Da ist beispielsweise das bekannte Online-Portal Momox, das Bücher und andere Medien, aber auch Klamotten veräußert, samt und sonders gebraucht. Die Zentrale ist in Friedrichshain ansässig, am Ostkreuz. Die Firma ist im Jahr 2004 von einem ehemaligen Arbeitslosen aus Fürstenwalde namens Christian Wegner gegründet worden. Heute ist das Unternehmen, das anfangs noch die Ich-AG seines Inhabers war, ein Marktführer. Momox ist übrigens – ebenso wie Asgoodasnew – nicht wegen ökologischem Idealismus gegründet worden. Vielmehr hielten die Gründer Re-Commerce für eine gute Geschäftsidee.
Rebuy, eine andere hiesige Größe, ist dagegen ein Gewächs von westdeutschen Business-Punks. Den Nukleus der Firma bildeten in den 2000er-Jahren zwei Jungunternehmer aus dem Taunus, die BWL in Wiesbaden studiert haben. Ein exklusives ostdeutsches Phänomen ist der Recycling-Boom also nicht. Auch wenn Rebuy längst in den Großraum Berlin-Brandenburg gezogen ist – und dort expandiert hat, mit riesigen Produktions- und Lagerflächen in Falkensee.
Was jedoch feststehen dürfte: dass Fingerfertigkeit, erlernt in der hemdsärmeligen DDR-Gesellschaft, ganz sicher in der Reparaturwerkstatt hilft.
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Bei der Veränderung des eigenen Konsumverhaltens halten sich einige Öko-Mythen: So sind Papiertüten für die Einkauksware keineswegs umweltfreundlich – allein wegen der Chemikalien, die in den Behältnissen verarbeitet sind. In Berlin experimentiert man mit weniger CO2-intensiven Baustoffen, eine gut aussehende Option für den Häuslebau der Zukunft ist dabei Holz. Von immenser Bedeutung für ein besseres Klima ist bekanntlich auch die Agrarwende. In Brandenburg steht das Gut Kerkow beispielhaft für einen großen Biobetrieb, der die industrielle Landwirtschaft überwindet.