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Schwarze Kleidung in Berlin noch Trend? Das sagt eine Modesoziologin

In Berlin ist Schwarz das neue „lieber nicht“. Lange kleideten sich die Menschen in der Stadt nachtfarben, bevor sie in Clubs, Bars, Restaurants zogen. Bunt war nicht angesagt, zu auffällig, zu lebenslustig, zu viel Ja, zu wenig Nein. Wer Buntes mochte, verschmähte die coolnessgemästete „Scheiß-auf-alles“-Attitüde der Berliner:innen. Mittlerweile haben sie das abgelegt. Statt sich an die Nacht anzupassen, erleuchten sie sie mit fantasievollen und ekletischen Looks. Doch woher kommt die Distanz zum in Berlin sonst so beliebten Schwarz? Wir haben nachgefragt – bei der Modesoziologin Antonella Giannone.

Schwarz geht noch in Berlin, allerdings muss dann geschickt kombiniert werden. Foto: Imago/Maskot

Hauptstadt-Mode: Wenig Schwarz, dafür viel Pink in Berlin

tipBerlin Frau Giannone, welche Farbe hat Berlin?

Antonella Giannone Pink. Aber auch orange, grün, violett. Überhaupt sehe ich aktuell viele knallige Farben. Mode hat ihre Zyklen, und gerade sehe ich einen Pink-Moment. Auch ich habe mir neulich eine pinkfarbene Jacke gekauft.

tipBerlin In queeren Kreisen oder anderen Sub- und Fankulturen, zum Beispiel im K-Pop, sind bunte und extravagante Looks schon lange ein Thema. In den Berliner Szene-Looks dominierte dagegen sehr lange Schwarz. Warum galten dunkle, gedeckte Farben überhaupt als Inbegriff ultimativer Eleganz und Coolness – auch im Partyleben?

Antonella Giannone Schwarz ist eine Farbe, die unglaublich viele Bedeutungen in sich trägt, die zum Teil auch im Kontrast zueinander stehen. Eleganz, Widerstand, Coolness, Uniformierung sind nur einige der Bedeutungen, die schwarze Kleidung zum Ausdruck bringen kann. Ich denke daher, dass Schwarz in einer so großen und jungen Metropole wie Berlin ganz gut als Zeichen der Inklusion funktioniert hat, als ein Zeichen, in dem sich viele wiederfinden und wiedererkennen konnten. 

„Dazu kommt noch der ganze Kosmos des Gaming, der eine ganz eigene Ästhetik besitzt“

tipBerlin Das US-Modemagazin „Harper’s Bazaar“ hat Ende 2021 eine Reportage über den aktuellen Trend zu bunten Looks veröffentlicht. Überschrift: „How Gen Z killed basic black“. Es soll also die junge Generation gewesen sein, die den coolen Minimalismus abgeschafft hat. Sehen Sie das auch so?

Antonella Giannone In der Mode sind es immer Kooperationen von verschiedenen Akteur:innen, die Veränderungen bewirken. In diesem Fall hat die junge Generation aber schon eine entscheidende Rolle gespielt – vor allem durch ihre Art und Weise, Mode über soziale Netzwerke zu rezipieren.

tipBerlin Inwiefern?

Antonella Giannone Mode steht immer in Beziehung zu Technologie und anderen Medien, wir nehmen Mode ja medial vermittelt wahr. Momentan ist es so, dass wir täglich durch Instagram scrollen und dort die unterschiedlichsten Bilder und Videos sehen, die viele kulturelle Bezüge enthalten, auch zur Vergangenheit, zu Mode aus den 90er- oder Nullerjahren. Dazu kommt noch der ganze Kosmos des Gaming, der eine ganz eigene Ästhetik besitzt – und die ist sicher nicht Schwarz-weiß. Diese Phänomene beeinflussen die Art und Weise, wie Mode aufgenommen, aber auch gemacht wird.

tipBerlin Wie beeinflusst Technik unsere Wahrnehmung von Stil?

Antonella Giannone Mode oder auch Modewerbung wird gerade vor allem über schmale Smartphone-Bildschirme rezipiert. Sie muss sich also in unserem Feed bemerkbar machen, sich ins Gedächtnis der Rezipienten einprägen – und das passiert zum Beispiel über leuchtende Farben. Denn die haben sowohl eine psychologische als auch eine Signalwirkung. Sie stecken an, sie sind viral im wahrsten Sinne des Wortes. Pink ist dafür das beste Beispiel. Es ist schwierig, eine ganz in Schwarz gehaltene Kollektion so zu inszenieren, dass sie auch auf dem Smartphone ein Hingucker ist.

Schwarz ist mittlerweile zum Beispiel auch im oberbayerischen Pullach angekommen (Foto von der Gartenmodenschau von Michaela Keune). Foto: Imago/Future Image

Digitale Welten und die Hyperästhetik prägen Mode

tipBerlin Weil sie mit vielen anderen Sinneseindrücken um die Gunst der Betrachterin konkurriert?

Antonella Giannone Ja. Die digitalen Welten, in denen die junge Generation unterwegs ist, beinhalten vieles zugleich. Und diese Gleichzeitigkeit ist etwas Neues – das trägt dazu bei, eine Hyperästhetik zu kreieren, die keine Grenzen kennt. Was wir in den sozialen Medien sehen, ist natürlich auch von Algorithmen bestimmt, aber eben auch oft vom Zufall. Diese zufällige Art, verschiedene Styles in einem Feed zusammen zu sehen, lässt in der Praxis oft gewagte Kombinationen entstehen. Zeichen aus unterschiedlichen Repertoires der Mode vermischen sich – zum Beispiel Luxus- und Sportswear. Das sieht man sowohl an den Designs der großen Modehäuser wie Gucci zum Beispiel, aber auch an den Mode-Einzelentscheidungen von Jugendlichen.

tipBerlin Jugend- oder Subkulturen hatten lange ganz klare Erkennungszeichen: Schnürsenkelfarbe oder Haarschnitt konnten einen als Teil einer bestimmten Gruppe ausweisen. Hat die von Ihnen beschriebene „Hyperästhetik“, in der alles zusammenfließt, die klassischen Subkultur-Codes verdrängt?

Antonella Giannone Wenn man genau hinsieht, und das haben in der Vergangenheit zum Beispiel Theoretiker wie Dick Hebdige, Autor des berühmten Buchs „Subculture: The Meaning of Style“, gemacht, waren die Grenzen zwischen Subkulturen schon immer viel fließender, als man gedacht hat. Im Moment sieht es aber tatsächlich so aus, dass es immer schwieriger wird, bestimmte Subkulturen zu erkennen. Aber da Subkulturen ja von Insider-Codes leben, kann es zum einen natürlich sein, dass Leute wie ich sie einfach nicht erkennen. Zum anderen hatten die Codes und Rituale von Subkulturen ja auch immer soziale Gründe, sie waren oft stark mit physischen Orten oder sogar Stadtteilen verbunden. Aktuell erleben wir bei der jungen Generation aber das Gegenteil dieser starken Ortsgebundenheit und Abgrenzung – nämlich die globale Vernetzung. Das führt zur Verflüssigung von Differenzen.


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