Das Image des Fußballs ist ramponiert, erst recht seit der EM, die ein Schaulaufen für Putin, Orbán und fragwürdige Sponsoren war. Die ehemalige „ran“-Moderatorin Gaby Papenburg will nun einen Systemwandel einläuten, jedenfalls in Berlin. Sie kandidiert für die Präsidentschaft beim Berliner Fußballverband (BFV) – und könnte die erste Frau an der Spitze eines DFB-Landesverbandes werden.
Die Frau, die ein neues Kapitel in der Geschichte des Fußballs aufschlagen will, sinniert über das Wesen der Macht. Auf der Terrasse eines Cafés in Lichterfelde sitzt Gaby Papenburg, 61, eine Sportfreundin, die gleich in der Nähe wohnt. Und zwar im selben Haus, das sie schon vor mehr als 20 Jahren bezogen hat. Damals, als die ehemalige TV-Moderatorin („ran“) von Hamburg, einem Defilee der westdeutschen Medienschickeria, nach Berlin umsiedelte.
Über den Wanderzirkus in den großen Arenen spricht sie, diesem System also, deren Würdenträger aus den großen Verbänden immer wieder auf VIP-Tribünen sitzen, nebst Moguln und politischen Lenkern, und in mondäne Hotels absteigen. Jene Beletage, wo auch die Funktionäre vom DFB, dem größten Sportfachverband der Welt, immer wieder Platz nehmen.
Gaby Papenburg, die den Volkssport von derlei Gunstwirtschaft befreien will, stellt in diesem Zusammenhang eine ganz nüchterne Frage: „Was macht ein Präsident mit seiner Macht?“
Gaby Papenburg: „Das große Thema ist Gerechtigkeit“
Papenburg würde gern die Probe aufs Exempel machen. Sie will Präsidentin des Berliner Fußballverbands (BFV) werden – einer von 21 Landesfilialen des überbordend großen DFB, dessen Hauptsitz sich in Frankfurt am Main befindet. Geradlinig wirkt sie im tipBerlin-Gespräch.
Über Glamour und Jetset im Fußballgeschäft sagt sie:„Man muss diese Privilegien nutzen, um Netzwerke zu gestalten. Sie sind kein Selbstzweck.“
Mit anderen Worten: Ein bisschen Nähe zu Mächtigen aus Politik und Wirtschaft ist schon in Ordnung, auch für Leute aus Landesverbänden. Es geht dabei allerdings nicht um die Delikatessen vom Buffet und schmeichelhafte Blicke von Potentaten. Sondern um knallharte Interessensarbeit für sportpolitische Belange. Lobbyismus eben – am Beispiel von Berlin etwa für eine bessere Infrastruktur im Amateursport, für einen Ausbau des Frauenfußballs, für mehr Demokratie.
„Das große Thema ist Gerechtigkeit“, sagt Papenburg. „Fußball ist für alle da.“
Noch nie hat es eine Frau an der Spitze eines DFB-Landesverbands gegeben
Zuletzt sind vor allem die Uefa-Amtsträger während der Fußball-EM in Misskredit geraten: Vor Victor Orbán, dem ungarischen Willkürherrscher, haben sie gekuscht, als sie der Allianz-Arena in München die Regenbogenfarben verweigerten. Und die Bandenwerbung überließen sie Staatskonzernen aus Autokratien, von Gazprom bis Qatar Airlines.
Die Bewerbung Papenburgs klingt nach einer Nachricht aus der Provinz, ist aber ein überregionales Politikum. Noch nie hat es eine Frau an der Spitze eines DFB-Landesverbands gegeben. Das verheißt geschlechtspolitischen Wandel: Kann in den Klubheimen, wo meistens noch immer Männer an den Schalthebeln sitzen, die Moderne einkehren?
Gaby Papenburg: Eine Pionierin im TV-Fußball
Ausgerechnet Gaby Papenburg könnte nun zum Role Model werden. Die gelernte Journalistin war lange Zeit eine der wenigen weiblichen Promis in der Fußball-Öffentlichkeit. In der Sat.1-Sendung „ran“ präsentierte sie zwischen 1993 und 2002 am Wochenende die Bundesliga-Spiele, kundig und souverän. Zu einer Zeit, als eine Pionierin wie sie noch von Branchen-Originalen angepöbelt wurde, etwa dem schnauzbärtigen Profi-Trainer Peter Neururer. „Ach, jetzt versucht’s wieder mal eine Frau. Sollte sie doch besser lassen“, ätzte dieser.
Während der Europameisterschaft hat Gaby Papenburg noch als Expertin bei „Markus Lanz“ das fahrige Erscheinungsbild der deutschen Nationalmannschaft kommentiert. Sonst ist Papenburg freiberuflich unterwegs, etwa als vielseitig buchbare Moderatorin und Business-Coach.
Und nun demnächst womöglich das große Rad an der Basis eines Breitensports: 170.000 Menschen gehören dem Berliner Fußballverband an, angemeldet in mehr als 380 Vereinen. Ein Riesenapparat mit immerhin 50 hauptamtlichen Mitarbeiter:innen. Gaby Papenburgs Haus- und Hofklub ist Polar Pinguin, ein alternativ angehauchter Fußballverein in Mariendorf.
Ein Problem in Berlin ist ganz generell das knappe Fußball-Land: Viele Vereine müssen sich wenige Plätze teilen. Die erste Garde von FC Viktoria 1889 Berlin aus Lichterfelde zum Beispiel, soeben in die Dritte Liga aufgestiegen, muss ihre Begegnungen im Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg austragen. Bis vor Kurzem noch bekannt als Heimstätte vom rustikalen Ost-Nostalgie-Klub BFC Dynamo Berlin.
„Ein netter Mensch“, so charakterisiert Gaby Papenburg ihren Rivalen beim Kampf um den Vorsitz im Landesverband: den 63-jährigen Amtsinhaber Bernd Schultz, ein Mann aus Reinickendorf. „Kein Kommunikator“ sei er jedoch.
Bislang wollte niemand gegen den Fürsten antreten
Sein beruflicher Hintergrund ist pikant. Schultz ist Polizeibeamter – und sein Chef damit ein bekannter Entscheider in der Lokalpolitik, nämlich SPD-Innensenator Andreas Geisel. Der ist in seinem Ressort zufälligerweise auch für den Sport zuständig. „Darin sehe ich eine Interessenskollision“, sagt Gaby Papenburg.
Ein weiteres Kuriosum: Schon seit fast 17 Jahren regiert Bernd Schultz den Verband – die letzten vier Präsidentschaftswahlen gewann er jeweils kampflos. Niemand hatte offenbar die Traute, gegen den Fürsten anzutreten.
Gleichzeitig gab sich der BFV unter der Ägide ihres Langzeit-Chefs zuletzt frischer – vielleicht auch, weil manche Traditionalisten den neuen Spirit spüren. Die verbandseigene Initiative „Future BFV“ hat zuletzt etwa ein Projektpapier herausgegeben; eine Gruppe, in der auch Gaby Papenburg wirkt. Eine Vision: eine Quote von mindestens 30 Prozent Frauen im Präsidium und in jedem Anschuss. „Die Weichen für die Veränderung sind gestellt“, verkündete Bernd Schultz, der amtierende Präsident.
Ob den Worten auch Taten folgen? Gaby Papenburg wünscht sich mehr hemdsärmelige Parteinahme des BFV für den Amateurfußball in den Ämtern und den kommunalen Regierungen. Ein Beispiel: Während des Corona-Lockdowns haben lange Zeit nur Kinder bis 12 auf den Feldern kicken dürfen – während in anderen Bundesländern irgendwann immerhin Jungspunde bis 14 Jahre ihren Pandemie-Blues mittels Spiel und Spaß kurieren konnten. „Der BFV hat gar nichts gemacht“, klagt sie.
Vor der großen Wahl gab es ein Rededuell zwischen Papenburg und Schultz, per Live-Stream. Ein Novum in der BFV-Geschichte – und ein Hauch von Townhall-Atmosphäre. Am 28. August wird dann auf dem Verbandstag die Wahl stattfinden.
Auf „fifty-fifty“ taxiert die Herausforderin ihre Chancen auf einen Sieg.
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