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Derby: Hertha und Union zwischen Freundschaft und Rivalität

Endlich wieder Bundesliga, endlich wieder ein Derby in Berlin. Am 28. Januar treffen die Hauptstadtclubs im Olympiastadion aufeinander. Jedes Mal ein emotionales Event: Schließlich sind Hertha und Union als Berliner Traditionsvereine nicht nur Rivalen, sondern teilen eine lange und intensive Geschichte. Hier erzählen wir von Fanfreundschaft während der Teilung, einem legendären Wiedervereinigungsspiel, Provokation, Eskalation und Versöhnung. Sportliche Einblicke von den 1970er-Jahren bis heute. Und natürlich freuen wir uns riesig auf das Spiel am Samstag.

Am 28.1. gibt es wieder Action beim Derby zwischen Hertha BSC und FC Union Berlin und Zweikämpfe wie beim letzten Aufeinandertreffen im August. Foto: Imago/nordphoto GmbH/Engler 

Fan-Freundschaft während der Teilung: „Hertha und Union – Eine Nation“

Zwei Fußball-Herzen schlagen in einer Stadt. Foto: Imago/Camera 4

Fast dreißig Jahre lang trennte die Berliner Mauer die beiden Vereine voneinander. Die Eisernen waren in Ost-Berlin und die alte Dame in West-Berlin beheimatet. Trotz der Teilung bestanden ab den frühen 1970er-Jahre Sympathien zwischen Union und Hertha. Fans aus West-Berlin besuchten das Stadion an der Alten Försterei, woraufhin die Union-Fans die Hertha zu Spielen in der DDR und anderen Ostblockländern begleiteten.

Beim Spiel gegen Dukla Prag festigte sich die Fan-Freundschaft. Und wie schön sind eigentlich diese Trikots? Foto: Imago/Kicker/Eissner

Im Viertelfinale des UEFA-Cups 1978/79 traf die alte Dame auf Dukla Prag. Während des Spiels in Tschechien sangen Fans beider Berliner Teams gemeinsame Hymnen, die ihre Freundschaft festigen sollten. „Ha-Ho-He, es gibt nur zwei Mannschaften an der Spree – Union und Hertha BSC“ oder „Hertha und Union – eine Nation“ erklangen auch in den folgenden Jahren immer wieder in den Stadien.

Nach der Wende: Ein symbolträchtiges Aufeinandertreffen

Ein Foto reicht nicht, um diese Stimmung einzufangen, die beim ersten Aufeinandertreffen der beiden Teams im Olympiastadion herrschte.

79 Tage nach dem Fall der Mauer trafen die Teams aus Ost- und West-Berlin zum ersten Mal aufeinander. Am 27. Januar 1990 fand im Olympiastadion, das auch auf eine bewegte Geschichte zurückblickt, ein historisches und symbolträchtiges Freundschaftsspiel statt. Der Eintritt konnte in der Währung der BRD und als auch der der DDR bezahlt werden. 51.270 Fans kamen zusammen und feierten ihre Teams, aber vor allem die Wiedervereinigung. Es wurde gemeinsam gesungen, geweint und gelacht. Auch wenn Hertha am Ende mit 2:1 gewann, ging sicherlich niemand an diesem Abend schlecht gelaunt und unberührt nach Hause.

Unions Olaf Seier und Herthas Theo Grieß feiern das dreißigjährige Jubiläum des legendären Freundschaftsspiels. Foto: Imago/Sebastian Fiebrig/Matthias Koch

30 Jahre nach dem legendären Freundschaftsspiel treffen sich auch zwei Kontrahenten wieder, um das Jubiläum zu feiern. Olaf Seier war 1990 Kapitän vom 1. FC Union Berlin, während Theo Grieß für Hertha BSC auflief. Vergessen werden sie diesen Abend im Olympiastadion nie.

Derby Hertha gegen Union: Ehrgeiz und Provokation

Hertha und Union laufen zur Wiedereröffnung der Alten Försterei auf. Während des Spiels kommt es zu Provokationen von beiden Seiten. Foto: Imago/Camera 4

Abgesehen von vereinzelten Freundschaftsspielen trafen die Berliner Vereine nicht aufeinander, da sie in unterschiedlichen Ligen spielten. Erst 2009, als Union die dritte Liga gewann und somit in der folgenden Saison gemeinsam mit Hertha in der zweiten Bundesliga spielen durfte, machte sich erstmals eine aufkommende Rivalität bemerkbar. Bei einem Freundschaftsspiel zur Wiedereröffnung der Alten Försterei schien plötzlich alles anders zu sein.

Provozierende Spruchbanner gehören halt zum Fußball: Besonders bei Stadtderbys. Mit Fan-Freundschaft sieht es dann aber nicht mehr so einfach aus. Foto: Imago/Matthias Koch

Befeuert durch den Aufstieg und voller Stolz über das renovierte Stadion sollen die Union-Fans mit Provokationen übertrieben haben, woraufhin der Stadionsprecher die aufgeheizte Stimmung noch weiter ausreizte. Die Hertha fühlte sich verarscht. Kapitän Arne Friedrich äußerte sich kritisch: „Ich finde das Verhalten respektlos.“ Auch andere Spieler, Fans und Herthaner:innen nahmen die Provokationen persönlich. Auch wenn die alte Dame letztendlich 5:3 gewann, würde sie diese Erfahrung nicht so schnell verzeihen.

Auf der anderen Seite äußerte sich Union darüber, dass die Provokationen von den Hertha-Fans ausgegangen seien und die Unioner nur darauf reagiert hätten. Im Endeffekt gehören Provokation und Rivalität nun mal zum Fußball, erst recht bei Stadtderbys. Mit Fan-Freundschaft sieht es dann aber nicht mehr so einfach aus.

Immer Provokation auf beiden Seiten. Das wird sich auch nicht mehr ändern. Foto: Imago/Camera 4

Derby Hertha gegen Union: „Wenn die Wessis in unserem Stadion jubeln, krieg ich das Kotzen“

Am 17. September 2010 kam es zur ersten Ligabegegnung der beiden Teams. Das Spiel ging unentschieden aus, das Folgespiel gewann Union Berlin 2:1. Beim dritten Pflichtspiel der Konkurrenten am 3. September 2012 war die extreme Rivalität zwischen der alten Dame und den Eisernen nicht mehr zu leugnen.

Nicht nur die Spieler von Hertha und Union lieferten sich am 3. September 2012 ein ehrgeiziges und leidenschaftliches Duell. Auf den Rängen war die Hölle los. Foto: Imago/Annegret Hilse

Nicht nur auf den Rängen kochte die Stimmung über. Nach der Niederlage verlor auch Union-Torschütze Christopher Quiring die Beherrschung. Ungehemmt pöbelte er los: „Die jubeln in unserem Stadion. Das kotzt mich an! Das muss man erst mal verdauen. Mein Tor ist mir scheißegal. Wenn die Wessis in unserem Stadion jubeln, krieg ich das Kotzen“. Wie die Hertha-Fans darauf reagierten, ist offensichtlich.

Später entschuldigte sich Quiring, die Pöbelei verstärkte die Rivalität jedoch nachhaltig. In Anbetracht der gemeinsamen Geschichte, in der Ost und West keine Rolle spielen sollten, wirkt dieser Ausrutscher doch sehr unbeholfen. Für viele Union-Fans ist Christopher Quiring hingegegen spätestens seit dem 3. September 2012 eine Legende.

Noch jubelt Christopher Quiring. Trotz seines Treffers verlieren die Eisernen und er kriegt einen legendären Wutanfall. Foto: Imago/Contrast

Nach dem Spiel in der Alten Försterei trafen Hertha und Union nur noch ein weiteres Mal in der zweiten Bundesliga aufeinander. Es sollte sechs Jahre dauern, bis sich die Hauptstadt-Kontrahenten erneut in einem Pflichtspiel begegnen würden.

Endlich erstklassig: Hauptstadtderby zwischen Hertha und Union in der Bundesliga

Der 2. November 2019 war ein besonderer Tag. Zum ersten Mal in der deutschen Fußballgeschichte und fast 30 Jahre nach ihrem ersten Aufeinandertreffen standen sich die Eisernen und die alte Dame in der 1. Bundesliga gegenüber. In der vorherigen Saison hatte sich Union Berlin erstmalig in die Bundesliga gekickt und empfing nun den alten Rivalen in der Alten Försterei. Es war klar, dass dies kein normales Fußballspiel werden würde. Bereits vorher marschierten Teams beider Vereine durch die Stadt, überall wurden Wände bemalt und Sticker geklebt.

Derby in Berlin: Spannender als das Spiel selbst waren die Choreos der Berliner Vereine. Foto: Imago/Bernd König

Im Stadion herrschte eine unglaubliche Stimmung. Die Fan-Szenen hatten im Voraus beeindruckende Choreos erstellt. Riesige Banner wurden präsentiert, es gab epische Ankündigungen und unvorstellbar lauten Gesang. Die Union-Fans präsentierten eine blau-weiße Medusa, die vom eisernen Unioner bezwungen wird, während die Hertha-Fans blau-weiße Jacken an alle Zuschauer:innen verteilten und somit eine riesige Flagge im Gästeblock verkörperten.

Die Hertha-Fans hatten für das Derby extra blaue und weiße Jacken bestellt. Foto: Imago/Bernd König

Hertha gegen Union: Von Freundschaft ist nichts mehr zu spüren

Das Spiel selbst war im Verhältnis zur Stimmung eher enttäuschend. Zwischendurch musste es sogar abgebrochen werden, nachdem Hertha-Fans Pyrotechnik auf das Spielfeld warfen. Außerdem wurden Trikots, Schals und andere Fanartikel verbrannt. Von Freundschaft war nichts mehr zu spüren.

Später versuchten Union-Fans, auf das Feld zu gelangen, wobei sie jedoch unter anderem vom ehemaligen Union-Torhüter Rafał Gikiewicz aufgehalten wurden, der im Nachhinein für sein Selbstbewusstsein von Medien und Fans gefeiert wurde. Im Endeffekt konnte Union Berlin dieses spektakuläre Ereignis für sich entscheiden.

Schiedsrichter Aytekin und Union-Torwart Gikiewicz stehen vor den Hertha-Pyromanen. Foto: Imago/Mausolf

Seit dem ersten Derby trafen Hertha BSC und der FC Union Berlin noch sieben Mal (sechs Mal in der Bundesliga, ein Mal im Achtelfinale des DFB-Pokalfinals 2021/22) aufeinander. Die Statistik spricht für die Eisernen. Die letzten drei Bundesligaspiele entschied Union Berlin eindeutig für sich. Die Hinrunden-Partie am 6. August endete mit einer 3:1-Niederlage für die Hertha. Auch im Pokal konnte sich Union durchsetzen. Das Team von Urs Fischer liefert weiterhin ab. Nicht nur gegen die Hertha. In der aktuellen Bundesligatabelle (Stand 24.1.2023) stehen die Eisernen mit 30 Punkten an dritter Stelle, nur fünf Punkte hinter Spitzenreiter FC Bayern München. Zeitweise führten die Köpenicker sogar die Tabelle an. Eine Sensation. Hertha BSC ist aktuell Vorletzter. Mit 14 Punkten. Wenn das so weitergeht, gibt es in Berlin Spitzenkampf und Abstiegskampf zugleich.

Trotz aller Rivalität kann auch Freundschaft bestehen, wie Ritter Keule und Herthinho zeigen. Foto: Imago/Camera 4

Doch Statistiken und Spekulationen bringen bei einem Derby keine Gewissheit. Bei einem so emotionsgeladenem Sportevent kann einfach alles passieren. Am Samstag, den 28. Januar, treffen die beiden Traditionsvereine im Olympiastadion aufeinander. Ob die Hertha den Bann brechen kann, oder Union die Siegsträhne fortführt, wird sich zeigen. Wir freuen uns auf jeden Fall schon sehr auf das Hauptstadtderby. Und natürlich auch auf die Rivalität. Trotz allem sollte allerdings nicht vergessen werden, was für eine spannende und intensive Geschichte beide Vereine teilen.

  • Olympiastadion Olympischer Platz, Westend, Sa 28.1., 15.30 Uhr, weitere Infos und Tickets hier

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