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Queer-Horror-Drama 

„Messer im Herz“ mit Vanessa Paradis als Porno-Trash-Regisseurin

Lief 2018 im Wettbewerb von Cannes: „Messer im Herz“ mit Vanessa Paradis als gebrochener Glamour-Regisseurin von schwulem Arthouse-Porno-Trash

Edition Salzgeber

Es könnte alles wie geflutscht laufen am Pornoset, denn Archibald ist ein Regieassistent von streberhafter Grandezza: Bevor Anne (Vanessa Paradis), die Regisseurin und Bossin des Ladens, auftaucht am Set, hat Archibald für gewöhnlich schon dafür gesorgt, dass alle Schwänze im Rammelpark hart wie Stahlrohre stehen und Anne ihren Regieeinfällen freien Lauf lassen kann. Sie ist eine Frau mit suboptimaler Zahlungsmoral, aber im Pornokino, wo manche nur zum Wichsen zu ihren Streifen kommen, wird sie von anderen wiederum als Arthouse-Göttin gefeiert.

Wenn ihre verflossene Ex-Freundin Loïs im Schneideraum melancholisch Zelluloidfilmszenen montiert, ahnt man: 1979, in Analogzeiten, war selbst Analsex noch besser. Die Farben strahlten polaroidisch, es gab kein klinisch-steriles HD-Airbrush-­Make-Up, sondern Schweiß, Freddie-Mercury-Balken, und alles war zwei Spuren dreckiger. Ja, wie gesagt, es könnte wie geflutscht laufen in Annes Pornostudio, tut es aber nicht.

Denn nicht nur hindert das durch Loïs gebrochene, schon frühmorgens whiskytrunkene Herz Anne daran, Teufel-trägt-Prada-bossy aufzutreten; sondern vor allem hat es ein Typ in Latexmaske und mit einer in einem XL-Dildo perfide versteckten Klinge auf Annes Darsteller abgesehen. Wer kein Blut sehen kann, ist bei „Messer im Herz“ im falschen Film. Der Polizei ist freilich egal, dass da ein paar Schwuchteln von einem Irren abgestochen werden. Anne aber hat Blut geleckt, kauft sich den besonders engelshaften Jüngling Nans von der Baustelle weg und filmt weiter: Sie verarbeitet die Morde zu einem campy Tatort-Porno, wo etwa ein Polizistenpenis auf der Schreibmaschine den Tathergang zu Protokoll gibt. Das ist psychospannend, wie Annes Truppe sich auf diese fragwürdige Weise mit ihren Ängsten konfrontiert und sie zugleich ausblendet; wie sie der Gefahr durch den erotischen Kick, der ihr innewohnt, für den Moment alles Bedrohliche nimmt.
Dass neben den Mordopfern stets eine gewisse Vogelfeder beiliegt, verführt Anne zu einem weitschweifigen, psychedelischen Roadtrip (mit dem entsprechendem Soundtrack), der eine sehr weit hergeholte Erklärung für Alles, wirklich Alles liefert – die sicher nicht jeder abkauft. Freund*innen des gehobenen Splatters aber werden ihre Freude haben an diesem hoch-homoerotischen Film, der sehr Genre ist, aber es dennoch schafft, sich vielen Genrekonventionen zu entziehen.

Messer im Herz
 F 2018, 106 Min., R: Yann Gonzalez, D: Vanessa Paradis, Kate Moran, Nicolas Maury, Start: 18.7.

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